Kost und Logis: Wohlklang am Berg

Nr. 22 –

Karin Hoffsten hält eine sehr persönliche Laudatio

Wer sich auf einen der schönsten Spazierwege Zürichs begibt, steigt an einer bezaubernden Schafswiese vorbei hoch bis zum Rastplatz mit installiertem Grill, lässt dort den Blick über die ganze Stadt schweifen, wandert weiter auf lauschigen Waldwegen und landet schliesslich irgendwo beim Zoo.

Nimmt man diesen Weg an einem Sommerabend unter die Füsse, kann es sein, dass man auf halbem Weg wundersamem Wohlklang begegnet, der durch die Büsche schallt: Dann veranstaltet das Theater Rigiblick gerade ein Open-Air-Konzert, und man verharrt entzückt lauschend auf dem Weg, auch wenns durchs dichte Blattwerk nichts zu sehen gibt. In den übrigen Jahreszeiten singen, spielen und musizieren die Künstler:innen drinnen im 120-jährigen, denkmalgeschützten Gebäude, das der Stadt gehört und zum Glück auch bequem mit einer Seilbahn erreicht werden kann.

Dem Charme des Theaters Rigiblick erliegt man entweder ganz oder gar nicht. Ich verfiel ihm schon vor Jahren wegen seiner eigenwilligen Bearbeitungen von Pink-Floyd-Alben. Auf die Idee muss man ja erst mal kommen, «Atom Heart Mother» von einem dreissigköpfigen Chor singen zu lassen und mit Edgar Allan Poes Erzählung «Der Untergang des Hauses Usher» zu verknüpfen oder «The Dark Side of the Moon» mit einer Story von Ray Bradbury.

Inzwischen gehört es zum Kerngeschäft des kleinen Theaters, bekannten Sänger:innen und Bands sogenannte «Tributes» zu widmen, in denen die jeweilige Musik zum Teil einer inszenierten Geschichte wird. Egal ob es um Rock-, Pop-, Soul- oder Jazzgrössen geht, um Chansons, klassische und Volksmusik oder gleich um das ganze Woodstockfestival: Jeder dieser Abende bietet eine faszinierende Reise durchs Schaffen der jeweiligen Künstler:innen und Zeiten, dargeboten durch hervorragende Sängerinnen und Musiker, in deren eigenwilligen Interpretationen immer wieder Überraschendes und Neues zu entdecken ist. Der Abend zu Ehren des Komponisten Ennio Morricone mit dem Rigiblick Orchestra schafft es sogar, im Kopfkino Spaghettiwestern laufen zu lassen, die man nie gesehen hat.

Natürlich lebt ein kleines Theater nicht von im Gebüsch versteckten Zuhörer:innen, sondern von bezahlten Tickets. Mit seinen originellen Produktionen hat das Theater Rigiblick eine grosse Anziehungskraft entwickelt, viele Vorstellungen sind ausverkauft, und doch läuft der volle Betrieb mit seinem grossen Team am finanziellen Anschlag und ist auf Subventionen der Stadt angewiesen. Doch diese wurden in diesem Jahr empfindlich gekürzt, und die Begründung für diese Kürzung hat die Betreiber:innen auch persönlich getroffen: Man vermisse bei den Produktionen Innovation und Nachhaltigkeit, und das Theater spreche zu wenig junges Publikum an – wo immer «jung» enden mag.

Vielleicht schaut die Jury, die zu diesem Schluss kam, beim nächsten Mal wieder ein bisschen genauer hin.

Karin Hoffsten versichert, dass der obige Text keinen «Sponsored Content» enthält und dass sie im Theater Rigiblick nichts in Anspruch nimmt, was sie nicht vorher bezahlt hätte.