Begegnung: Einfach Antifaschist:in sein reicht nicht
Der italienische Philosoph Alberto Toscano wendet sich mithilfe der antikolonialen und radikalen Schwarzen Theorietradition gegen hartnäckige Klischees in Bezug auf den Faschismus.
Seine Stelle an der Simon Fraser University in Vancouver hat Alberto Toscano unlängst verloren. Doch im Gespräch mit der WOZ nimmt es der 1977 in Moskau geborene Italiener locker: Nein, eine politische Entscheidung sei es wohl nicht gewesen. Die neoliberale Sparpolitik habe ganz einfach auch die kanadischen Universitäten erfasst. Dabei gehört Toscanos 2023 veröffentlichtes Buch «Spätfaschismus», das seit März auch auf Deutsch erhältlich ist, zu den meistdiskutierten Theorietexten der Gegenwart. In Berlin etwa war das Interesse an Toscanos Positionen so gross, dass er innerhalb von drei Tagen vier Mal auftreten musste.
Die zentrale These seines Buches lautet, dass formelhafte Faschismusdefinitionen für das Verständnis der Gegenwart wenig hilfreich sind. So spiele der Freiheitsbegriff in der extremen Rechten heute eine viel zentralere Rolle als beim Faschismus der Zwischenkriegszeit. Umgekehrt seien die straff organisierten Massenbewegungen von einst einer diffusen, durch soziale Medien mobilisierten Menge gewichen.