Polizeikessel Landquart : Vorbildliche Knallgranaten

Verprügeln, fichieren und für dumm verkaufen. Das ist die Strategie der Bündner Kantonsregierung und ihres Wef-Ausschusses. Vergangene Woche, fast exakt fünf Monate nach dem Landquarter Polizeikessel vom 24. Januar 2004, präsentierte der Ausschuss einen fünfseitigen Bericht über seine «detaillierten Abklärungen». Der «Einsatz der Sicherheitskräfte» sei «vorbildlich, ruhig und der Situation angemessen» gewesen. Vorwürfe seien «völlig fehl am Platz», schliesslich hätten auch die zahlreich anwesenden Medienschaffenden die «Arbeit der Polizeikräfte praktisch nicht kritisiert».

Über tausend Personen waren damals auf dem Heimweg von der friedlichen Anti-Wef-Demo in Chur. Der voll besetzte Zug stoppte in Landquart, die Polizei holte die Leute mit massiver Gewalt aus den Waggons, trieb sie kreuz und quer über den Bahnhof, kesselte sie auf dem Vorplatz ein und schleuste sie dann in Fünfergruppen durch einen Fichierparcours – teils im Freien, teils in der Tiefgarage des gegenüberliegenden Coop.

Selber schuld, sagt der Ausschuss: Die Polizei habe nur auf die «diversen rechtswidrigen Handlungen eines Teils der Demonstranten» reagiert, man habe Straftäter identifizieren und verzeigen wollen. Sachbeschädigungen hat es tatsächlich gegeben. Laut Aussage der Betroffenen hatte die Polizei aber bereits bei Einfahrt des Zuges ein Gitter über den Gleisen geschlossen. Selbst wenn dem nicht so gewesen sein sollte, besteht kein Zweifel, dass es sich um eine vorbereitete Aktion handelte: Der Platz war komplett eingezäunt, ein grosses Aufgebot an Grenadieren stand bereit, und selbst die Fichierbüros im Coop waren vorher eingerichtet worden.

Wegen der «heftigen Reaktion eines Teils der Demonstranten», so der Ausschuss weiter, sei es «zu vereinzelten Gewalteinsätzen der Sicherheitskräfte» gekommen. Tatsache ist, dass die Polizei ihr gesamtes Repertoire an «nichttödlichen» Waffen zum Einsatz brachte: Wasserwerfer, Tränengas, «Irritationskörper» (Knallgranaten), Gummigeschosse, Pfefferspray und natürlich die polizeilichen Mehrzweckstöcke, die selbst auf die Köpfe von Sitzenden niedergingen.

1082 Personen habe die Polizei dann einer «einfachen Personenkontrolle» unterzogen: die rund 500 «als harmlos eingestuften» erfasste sie draussen, den offenbar gefährlichen Rest in der Tiefgarage. Zehn Personen hat sie verzeigt, die VerursacherInnen der Sachbeschädigungen sind nicht darunter. Gemessen am vorgeblichen Ziel war das Ganze also ein totaler Flop, dessen einziger Zweck die Einschüchterung und Fichierung der DemonstrantInnen war. Bevor die Bündner Polizei die Daten löschte, hat sie sie – angeblich unfreiwillig, nur auf Ersuchen hin – an den Dienst für Analyse und Prävention (DAP), die eidgenössische Staatsschutzzentrale in Bern, weitergegeben. Eine Übermittlung an die Stadtpolizei Bern wurde verweigert. Der DAP wird diese Daten nun zu einem Grossteil in seiner Staatsschutzdatenbank ISIS speichern, wo sie dann auch für die Berner StadtpolizistInnen abrufbar sind.

Die gewaltsame Landquarter Massenkontrolle war weder «ruhig» noch «angemessen». Der Bericht des Ausschusses zeigt jedoch geradezu «vorbildlich», wie man die Öffentlichkeit betrügen kann.