Roma im Kosovo: Die Hautfarbe entscheidet

Auch im Kosovo sind es die anderen, welche die Roma definieren; sind es die Verfolger, die sich – zum genehmen Zeitpunkt – eine ethnische Einheit schaffen. Roma leben seit Jahrhunderten in der Region, sie sprechen unterschiedliche Sprachen, praktizieren unterschiedliche Religionen, haben einen unterschiedlichen sozialen Status. Den dank der Nato siegreichen kosovo-albanischen Nationalisten blieb es vorbehalten, alle Unterschiede zu negieren und die eine Gemeinsamkeit, «Menschen mit dunkler Hautfarbe», zum Kriterium für deren Drangsalierung und Vertreibung zu machen.

Unklar ist, wie viele «Roma» im Kosovo lebten, die Angaben schwanken zwischen 100 000 und 150 000, oder zwischen 8 und 15 Prozent der Gesamtbevölkerung; unklar ist auch, wie viele von ihnen flüchten mussten, die «Gesellschaft für bedrohte Völker» schätzt, dass 75 Prozent aller Roma den Kosovo mittlerweile verlassen haben.

Dem «ethnisch reinen» Kosovo stehen sie im Weg wie die serbische Minderheit, mit der sie kollaboriert haben sollen. Mit diesem Vorwurf wird bewusst unterschlagen, dass beide, serbische Behörden wie albanische Mehrheit, in den letzten Jahrzehnten Roma-Gruppen dazu gezwungen haben, sich zur einen oder anderen Seite zu bekennen. Loyalitätserklärungen verlangten sowohl die staatlich-serbischen Arbeitgeber und Krankenhäuser wie, seit Beginn der neunziger Jahre, die kosovo-albanischen Schulen im Rahmen der Parallelverwaltung unter Präsident Ibrahim Rugova. Von serbischer Seite wurden zumindest die orthodoxen Roma in den letzten Jahren fast schon gefördert, zur Stärkung des Gegengewichts gegenüber der albanischen Bevölkerungsmehrheit. Das hinderte in den Monaten vor Kriegsbeginn Armee und Paramilitärs allerdings nicht daran, neben AlbanerInnen wahllos auch Roma zu belästigen. Seit Ende des Bombardements allerdings trifft es offensichtlich unterschiedslos alle, und die westlichen Besatzungstruppen, die es verhindern könnten, tun nichts. Wie schon in Bosnien nehmen sie ethnische Säuberungen hin, in der Gewissheit, die Übrigbleibenden leichter kontrollieren zu können.