Sans-Papiers-Statistik : Nützliche Papierlose
Erstmals liegt eine Studie mit detaillierten Zahlen zu den Lebens- und Arbeitsbedingungen von Sans-Papiers vor. Die Schweizer ArbeitgeberInnen kommen darin schlecht weg.
Sans-Papiers haben bis zu fünf Jobs gleichzeitig. Sie arbeiten als Kinderbetreuerinnen, Haushaltshilfen, im Gastgewerbe, auf dem Bau oder in der Landwirtschaft und verdienen im Durchschnitt 2100 Franken monatlich. Das zeigt die Studie «Leben und arbeiten im Schatten», die erste detaillierte Umfrage zu den Lebens- und Arbeitsbedingungen von Sans-Papiers in der Deutschschweiz.
Herausgegeben wurde die Studie von der Anlaufstelle für Sans-Papiers in Basel und der Gewerkschaft für Bau und Industrie (GBI). Die AutorInnen befragten dafür 102 Sans-Papiers aus Basel und Umgebung. Sie folgten dabei einem eigens ausgearbeiteten Fragenkatalog. 60 Prozent der Befragten sind Frauen. Nicht erfasst sind Sans-Papiers mit einem schlechten sozialen Netz oder im Sexmilieu Tätige.
Lohndrückerei
Die Ergebnisse der Studie werfen ein schlechtes Licht auf die Praktiken der ArbeitgeberInnen: Sie stellen keine Arbeitsverträge aus, zahlen schlechte Löhne und melden ihre Angestellten nicht bei den Sozial- und Unfallversicherungen an.
Der niedrigste in der Studie festgehaltene Stundenlohn liegt bei 7.90 Franken – der Betroffene arbeitet im Gastgewerbe, wo die offizielle Lohnvorgabe 18.50 für Ungelernte empfiehlt. Auch auf dem Bau wird den Sans-Papiers zu wenig bezahlt: im Schnitt 17.50 Franken, statt den empfohlenen 22.30 Franken. Jeder zweite männliche und fast jede dritte weibliche Sans-Papiers wurde schon mindestens einmal ganz um den Lohn betrogen.
Noch mehr sparen die ArbeitgeberInnen, indem sie für ihre Angestellten keine Sozialabgaben zahlen: Um 3200 Franken pro Monat prellen sie im Schnitt eineN Sans-Papiers, rechnet die Studie vor.
Wichtiger Wirtschaftsfaktor
Erstmals liefert die Studie auch Zahlen zu den Lebensumständen von Sans-Papiers: 95 Prozent der Befragten arbeiten und verdienen ihren Lebensunterhalt selbst. Und das obwohl 80 Prozent von ihnen nie eine Bewilligung für den Aufenthalt in der Schweiz besassen: Sie sind also weder als Asylsuchende noch als Saisonniers oder Jahresaufenthalter gekommen, sondern illegal eingewandert und angestellt worden.
80 Prozent von ihnen schicken regelmässig Geld an ihre Angehörigen im Heimatland – durchschnittlich 532 Franken pro Monat. Dieses Geld, so die AutorInnen der Studie, trägt wesentlich zur Verbesserung der Lebensbedingungen im Heimatland bei.
Die erhobenen Daten sprechen eine klare Sprache gegen die Abschottungstendenzen der Schweizer AusländerInnen- und Asylpolitik: «Sans-Papiers bilden einen wichtigen Wirtschaftsfaktor – sowohl im Herkunfts- wie im Zuwanderungsland», so das Fazit der Studie.
Aufgrund der erhobenen Daten fordern die AutorInnen der Studie schliesslich verschiedene Massnahmen zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Sans-Papiers: angemessene Entlöhnung, Arbeitsverträge, die damit verbundenen Versicherungen und einen geschützten Zugang zu den Arbeitsgerichten, um fehlbare ArbeitgeberInnen anzuzeigen. Zudem soll die Fremdenpolizei keinen Zugang zu den Daten der Schulbehörden oder Krankenversicherungen haben, damit sich Betroffene ohne Angst dort anmelden können.
Die Anlaufstelle für Sans-Papiers in Basel wurde im Oktober 2002 gegründet. Sie bietet Sans-Papiers in Fragen zu Arbeit, Versicherungen, Einschulung und in Rechtsfragen kostenlose Hilfe. Finanziert wird sie von SpenderInnen.