Schweizer BeobachterInnen in Palästina: ZeugInnen der Gewalt

«Stell dir vor, es ist Krieg, und niemand geht hin», hiess es vor Jahren an Zürichs Wänden. Heute herrscht Krieg in Palästina, und einige SchweizerInnen sind hingegangen.

«Wir versuchen, nach Ramallah vorzudringen und Hilfsgüter zu bringen. Ich befinde mich mitten in einer Demonstration von etwa vier- bis fünftausend Leuten. Wir wurden beim ersten Checkpoint von einem riesigen Polizei- und Armeeaufgebot mit Gummigeschossen und Tränengas aufgehalten», erzählt Tobia Schnebli am Telefon. Er trage einen Sack Reis auf dem Kopf, sehe aber wenig Hoffnung, dass er ihn nach Ramallah bringen könne. «Das Vorgehen der Polizei ist äusserst brutal», brüllt er ins Telefon beim Versuch, das Sirenengeheul und das Geschrei von SiedlerInnen zu übertönen. Der Demonstrationszug wurde bei einer jüdischen Siedlung gestoppt, deren BewohnerInnen keinen Hehl aus ihren Sympathien machen. Im Demonstrationszug marschieren neben internationalen TeilnehmerInnen und PalästinenserInnen auch friedensbewegte Israelis und Knesset-Mitglieder mit.

Tobia Schnebli ist Mitglied der Zivilen Mission zum Schutz des palästinensischen Volkes, mit der am 23. März auch 24 Schweizer AktivistInnen des Kollektivs Urgence Palestine nach Palästina gereist sind. In internationalen Teams sind sie an verschiedenen Orten in Palästina präsent, nehmen an Demonstrationen teil und werden Zeugen der jüngsten Gewalteskalation – und auch selbst Opfer: In Betlehem wurden einige von ihnen durch Splitter einer Warnsalve verletzt, so auch der Schweizer Siegfried Ericsson. Er wollte das umstellte Uno-Flüchtlingslager verlassen, um den Kontakt mit der Aussenwelt sicherzustellen. Die Scharfschützen zögerten nicht, ihn unter Beschuss zu nehmen, bis er durch Entblössen seines Oberkörpers zeigte, dass er keinen Sprengstoffgürtel trug.

Einer anderen Beobachtermission aus der Schweiz gehört Tobias Gasser an. Er reiste am Ostersamstag mit einer Gruppe des Cevi Schweiz (Christlicher Verein Junger Frauen und Männer) nach Palästina, um dort Partnerorganisationen zu besuchen. Die TeilnehmerInnen wollten «sich mit der Lebenssituation der palästinensischen Bevölkerung und der israelischen Besetzung auseinander setzen», erklärten sie vor der Abreise. Dieses Ziel haben sie erreicht: «Ich konnte nie verstehen, was in den Köpfen dieser Selbstmordattentäter vorgeht. Ich glaube, ich verstehe nun ein bisschen, dass man sich plötzlich einfach in die Luft jagt», gesteht Tobias Gasser. «Es ist so erniedrigend, was hier vorgeht. Und es ist so lächerlich, welche Gegenmittel die Palästinenser haben, wenn die Israelis mit ihrer Armee auffahren.»

Die Schweizer Delegationen planen, an der Demonstration in Bern von ihren Erfahrungen zu berichten. «Gerade jetzt, wo JournalistInnen überall weggewiesen werden, ist internationale Präsenz doppelt wichtig, um Informationen vom Geschehen vor Ort zu erhalten», sagt Gasser.