Erfolg für die Armen

Der Entscheid fiel am Montag knapp aus: Mit 23 zu 20 Stimmen nimmt nach dem National- auch der Ständerat die parlamentarische Initiative «Armut ist kein Verbrechen» an. Sie fordert, dass niemand mehr wegen des Bezugs von Sozialhilfe ausgewiesen werden kann, der oder die seit mehr als zehn Jahren in der Schweiz lebt.

Juristisch klingt das wie ein kleiner Fortschritt, doch praktisch ist er bedeutsam: Für Personen, die schon länger hier leben und die in die Armutsspirale geraten, bringt er einen wirksamen Schutz vor der Ausschaffung. Einen Schutz, der sich auf alle Menschen ohne Schweizer Pass auswirken kann, schwebt doch der Entzug der Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung wie ein Damoklesschwert über ihnen. Mit dem Effekt, dass sich immer weniger trauen, Sozialhilfe zu beziehen, obwohl sie ihnen zusteht.

Dass der Erfolg möglich wurde, ist einer breiten Allianz von Hilfswerken, Kirchen, Parteien, Gewerkschaften und Mig­rant:in­nen­verei­nen zu verdanken. Im Parlament hat die junge Baselbieter SP-Nationalrätin Samira Marti während der ganzen Legislatur für das Anliegen gekämpft. «Ich habe immer daran geglaubt, dass ein Erfolg möglich wird. Wobei Glauben allein nicht reicht, ein bisschen Arbeit war schon auch nötig», sagt Marti nach der Abstimmung.

«Am schwierigsten war es, zwischen der rechtsbürgerlichen Polemik zum Missbrauch der Sozialhilfe und den realen Schicksalen zu differenzieren», so Marti. Doch langsam, aber stetig zeigte die Überzeugungsarbeit der Allianz Wirkung. Am Schluss stimmten im Ständerat fast die ganze Mitte-Fraktion und einige fortschrittliche FDPler für die Entschärfung des Gesetzes. Ein persönlicher Erfolg auch für Marti: Die Politikerin, die als kommende SP-Fraktionspräsidentin gehandelt wird, zeigte ihr überparteiliches Verhandlungsgeschick.

Bis zur Gesetzesänderung wird es noch dauern. Erst braucht es nun eine Vorlage des Bundesrats. Für Marti ist klar, dass die Auseinandersetzung weitergehen muss. Sie plädiert generell für eine Abschaffung der Verknüpfung von Sozialhilfe- und Migrationsrecht. Und verweist auf die «Demokratie-Initiative» der Aktion Vierviertel, bei der es nicht bloss um politische Mitbestimmung gehe: «Den wirksamsten Schutz der sozialen Rechte bringt eine vereinfachte Einbürgerung.»