AfD-Höhenflug: Sonntags in Sonneberg

Plötzlich ist der Name «Sonneberg» in aller Munde, auch über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus. Dabei dürften selbst die meisten Deutschen vom bundesweit zweitkleinsten Landkreis bis vor wenigen Tagen nie gehört haben. Das ist nun anders: In Sonneberg im südlichen Thüringen, 55 000 Einwohner:innen, gleich an der früheren deutsch-deutschen Grenze zu Bayern, hat mit Robert Sesselmann am Sonntag erstmals ein Kandidat der extrem rechten AfD eine Landratswahl gewonnen, unter anderem mit der Forderung nach einem Austritt Deutschlands aus der Eurozone.

Ein Landrat steht der Verwaltung eines Landkreises vor, der mehrere Städte und Gemeinden umfasst. In Sonneberg haben bei der Stichwahl nun 52,8 Prozent der Wählenden für den AfD-Mann votiert – und das, obwohl dessen Gegenkandidat von der CDU, die in Südthüringen der AfD in vielen Positionen nahesteht, von SPD, Grünen, FDP und Linkspartei unterstützt worden war.

Genutzt hat dieses Allparteienbündnis nichts. Auch deshalb stellt Sesselmanns Wahl für die AfD einen wichtigen Durchbruch dar, insbesondere mit Blick auf die 2024 anstehenden Landtagswahlen in Thüringen. Seit geraumer Zeit landet die Partei dort bei Umfragen mit bis zu dreissig Prozent auf Platz eins – im einzigen Bundesland, das mit Bodo Ramelow je von einem Ministerpräsidenten der Linkspartei regiert wurde und immer noch wird. Und auch in anderen ostdeutschen Bundesländern wird 2024 gewählt: In Sachsen und Brandenburg stehen Landtagswahlen an, in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt Kommunalwahlen.

In bundesweiten Umfragen erlebt die AfD derzeit ebenfalls neue Höhenflüge, vor allem seit der hitzig geführten klimapolitischen Debatte um ein neues Heizungsgesetz. Vergangene Woche überholte die AfD die SPD, die mit Olaf Scholz den Bundeskanzler stellt, und lag mit neunzehn Prozent auf dem zweiten Platz hinter der CDU. Auch bei der Landratswahl in Sonneberg dürften bundespolitische Themen und Ärger über die Ampelregierung von SPD, Grünen und FDP eine Rolle gespielt haben.

Die AfD ist kein neues Phänomen, sie sitzt bereits seit 2017 im Deutschen Bundestag. Und auch die politische Einbindung der Partei, etwa durch Zusammenarbeit auf kommunalpolitischer Ebene, ist längst im Gange. Dass aber ein AfD-Politiker in ein Amt mit Exekutivverantwortung gewählt wird, ist ein Novum. Diesbezüglich hinkt die Bundesrepublik vielen europäischen Ländern eher hinterher, vielerorts waren oder sind die extrem Rechten bereits an Regierungen beteiligt. Schon die Entstehung der AfD im Jahr 2013 erfolgte deutlich später als jene vergleichbarer Parteien in den Nachbarländern – etwa in Österreich (FPÖ), der Schweiz (SVP), Frankreich (Front National) oder Dänemark (Dänische Volkspartei). Ein Grund dafür liegt darin, dass aus einer Massenbewegung von Erwerbslosen 2004 zunächst eine starke linke Protestpartei hervorging, die noch dazu im Osten ihre Basis hatte: die Linkspartei. Heute steht diese kurz vor einer Spaltung und möglicherweise vor dem Aus. Einer der internen Streitpunkte: der Umgang mit AfD-Wähler:innen.