Neue Haft für Asat Miftachow

Eigentlich hätte es ein guter Tag für Asat Miftachow werden sollen, ein Tag in Freiheit. 2021 verurteilte ein Moskauer Gericht den Mathematikdoktoranden und Anarchisten zu sechs Jahren Strafkolonie; vorgeworfen wurde ihm damals, die Fensterscheibe eines Büros der Kreml-Partei Einiges Russland eingeschlagen zu haben. Gestern hätte er die Haftanstalt IK-17 im ostrussischen Oblast Kirow eigentlich verlassen dürfen – beim Ausgang warteten dann aber nicht nur seine Familie und Unterstützer:innen, sondern auch ein Auto der Sicherheitskräfte. Noch in der Gefängniskluft wurde Miftachow festgenommen. Der Vorwurf diesmal: «Terrorpropaganda». Bereits heute Morgen wurde der Dreissigjährige dem Richter vorgeführt.

Gemäss dem Onlineportal «Mediazona» stützen sich die Vorwürfe auf insgesamt drei Zeugenaussagen: Demnach habe Miftachow im Frühjahr gesagt, er wolle den Tod eines aufseiten der Ukraine kämpfenden Freundes rächen – und «FSB-Offiziere in die Luft sprengen». Verpfiffen haben soll ihn ein Mitgefangener, bestätigt wurde der Sachverhalt angeblich durch einen dritten Häftling. Im Gerichtssaal verlesen wurde auch die Aussage eines geheimen Zeugen: Diesem zufolge soll sich Miftachow positiv über die Tat eines Anarchisten geäussert haben, dem die Behörden vorwerfen, 2018 ein FSB-Büro in die Luft gesprengt zu haben.

Weiter behaupten die Ermittler:innen, Miftachow sei aktives Mitglied der anarchistischen Gruppierung Narodnaja Samooborona (zu Deutsch: Volksselbstverteidigung), die in Russland seit 2022 als «Terrororganisation» gilt. Vor Gericht plädierte der Anarchist auf nicht schuldig und verweigerte ansonsten die Aussage. Laut «Mediazona» muss er nun (vorerst) für weitere zwei Monate ins Gefängnis.

Die Menschenrechtsorganisation Memorial hat Asat Miftachow schon 2019 auf ihre Liste der politischen Gefangenen gesetzt. Seine Unterstützer:innen sehen seinen Fall denn auch im Kontext der anhaltenden Repression gegen anarchistische und linke Strukturen in Russland.

Klar ist: An Miftachow will das Regime ein Exempel statuieren. Und er ist ein Beispiel für eine etablierte Praxis: unliebsame Personen für Jahre oder Jahrzehnte – am liebsten für immer – wegzusperren, indem man ihnen, kaum haben sie ihre Strafe abgesessen, immer neue Delikte anlastet. Eine Praxis übrigens, die keine Besonderheit des Putin-Regimes ist, sondern schon in der Sowjetunion Anwendung fand. Damals wie heute gilt allerdings: Auch das autoritärste Regime wird nicht ewig an der Macht bleiben.