Klimadebatte: Gereizte Gesten als Totschlagwörter

Klimaleugner:innen, also Menschen, die den menschengemachten Klimawandel komplett abstreiten, gibt es immer weniger. Die müssten mittlerweile nicht nur das Fernsehen abbestellen und das Internet ausstöpseln, sondern auch ihre Fenster zunageln – und könnten dennoch die Veränderung des Klimas nicht mehr einfach wegignorieren.

Was sich stattdessen etabliert hat, ist eine seltsame Skepsispose. Oder vielmehr eine Reihe von Gesten, die Skepsis signalisieren, ohne wirklich zu sagen, welchen Tatsachen man skeptisch gegenübersteht – oder was man stattdessen für wahrscheinlich hält. Die anderen glauben das Falsche, sind verlogen, oder, die grösste aller Sünden, gutmenschlich. Man fühlt sich an den grossen liberalen Kritiker Lionel Trilling erinnert, der vom Konservatismus seiner Zeit sagte, er bestehe eigentlich nur aus «reizbaren mentalen Gesten, die Ideen ähneln wollen».

Solche reizbaren Gesten finden sich heute überall: Wenn in Deutschland bei jeder Gelegenheit die ausgeschalteten Atommeiler wieder ins Spiel gebracht werden, obwohl die technisch gar nicht mehr relevant sind, dann ist das als «Ätsch» gedacht und als nichts weiter. Wenn Politiker:innen irgendeiner Grünen Partei auch mal Flugzeug fliegen, soll das anscheinend irgendetwas beweisen. Am Mittwoch entdeckte ein Mitglied der FDP-Bundestagsfraktion in Berlin, dass im Klimaprotestcamp mit Gas gekocht wurde.  

Was bei all diesen Gesten auffällt: wie wenig es bedarf, um sie auszulösen; wie automatisch sie kommen; und mit welch betonter Fantasielosigkeit sie am Werk sind. Es handelt sich um eine Leberwurstskepsis, die keine wirklichen Alternativen mehr ins Spiel bringt, sondern im Grunde genommen nur lustig findet, dass andere überhaupt noch bei irgendetwas bleiben. Ihre Zukunftsvisionen sind nur Platzhalter für ein lahmes «weiter so». «Technologieoffenheit» ist mittlerweile so ein Schlagwort, oder eher Totschlagwort: schön orwellsch empfiehlt es unter dem Etikett der Offenheit das reine Verharren. Irgendeine komische Technologie, an die man selber nicht glaubt, wirds schon richten.

Das sind nicht die konspirativen Fieberträume der Querdenker und Trumpistinnen, die die Welt in schillernde, grelle Farben tauchen. Vielmehr handelt es sich um eine Pose, die sich in ihrer reinen Zeitverschwendung gefällt: der Lebenszeit aller Beteiligten, die man mit egal was besser hätte zubringen können; und der Zeit, die der Menschheit noch bleibt, um das Schlimmste abzuwenden.

Immer freitags lesen Sie an dieser Stelle die Kolumne unseres Gastautors Adrian Daub. Der Autor, Kritiker und Literaturwissenschaftler lehrt als Professor für vergleichende Literaturwissenschaften und Germanistik an der Universität Stanford. Er lebt in San Francisco und Berlin.