ÖV: Wer eh schon hat, kommt zum Zug!
Die SBB irritieren mit ihrer Preispolitik: Ab Dezember wird ÖV-Fahren generell teurer, im Schnitt um 3,7 Prozent. Entlastet werden hingegen die, die eh schon genug haben: Beispielsweise gibt es das Upgrade vom 2.-Klasse-GA zum 1.-Klasse-GA ganze 500 Franken günstiger. Auch wer 800 Franken eines neu eingeführten «ÖV-Guthabens» bezieht, mit dem dann Tageskarten und Tickets gekauft werden können, bekommt 200 Franken geschenkt, bei 1000 Franken sind es 500 Franken. Das Guthaben gibt es nur über die digitalen Kanäle zu beziehen.
Störend daran ist nicht nur, dass der ÖV vor allem für Geringverdienende und viele Ältere immer schwerer zugänglich wird, sondern auch, dass die Verteuerung nicht einmal auf dem Mist der SBB gewachsen ist: Wie Recherchen des «Blicks» zeigen, war es das Bundesamt für Verkehr (BAV) das Druck auf die Bundesbahnen und andere Transportunternehmen ausgeübt hatte. Die Umverteilung von unten nach oben ist also staatlich gewollt. «Im Interesse der Steuerzahlenden», wie die BAV-Medienstelle begründet.
Während das Schweizer Parlament vor kurzem 5,3 Milliarden Franken für Autobahn-Ausbauprojekte gesprochen hat, was wohl auch im Interesse der Steuerzahlenden sein soll, und die Kosten fürs Autofahren in der Schweiz laut TCS in den letzten Jahren relativ zur Teuerung sogar leicht gesunken sind, lässt sich in Österreich beobachten, wie es auch anders ginge. Die ÖBB geniessen mehr staatlichen Rückhalt, immerhin ist Verkehrsministerin Leonore Gewessler bekennender ÖV-Fan. So ist das Pendant zum GA, das sogenannte Klimaticket, mit 1000 Euro deutlich günstiger, auch im Verhältnis zu den tieferen Einkommen. Für 18-Jährige ist es während eines Jahres sogar gratis, damit sich die junge Generation gleich mit ihren Öffis anfreunden kann. Übrigens können dieselben 18-Jährigen beim Programm «DiscoverEU» regelmässig Interrail-Tickets gewinnen – zusammen mit gleichaltrigen jungen Erwachsenen aus der EU und weiteren Staaten wie Liechtenstein, Nordmazedonien oder Island. Die Schweiz ist nicht dabei, was nur folgerichtig ist für diesen mentalen Inselstaat, der nur geografisch mitten in Europa liegt.
Es ist schlicht unrealistisch, bei der ökologischen Verkehrswende auf die Eigenverantwortung zu hoffen. Ökologisch sinnvolle und für alle bezahlbare Mobilität wäre eine staatliche Aufgabe, zu der sich offensichtlich noch nicht alle Staaten berufen fühlen.