Fabi-Abstimmung: Ein Ja mit einer guten Portion Misstrauen
Die Bahnvorlage dürfte Erfolg haben – doch kritische VerkehrsexpertInnen sind keineswegs begeistert. Sie stören sich an überrissenen Grossprojekten. Und wer entscheidet eigentlich über das Geld im Fabi-Fonds?
Wirklich gegen Fabi will auf linker Seite niemand sein. Auch jene UmweltschützerInnen, die den Ausbau des öffentlichen Verkehrs kritisch sehen, plädieren für ein Ja zum «Bundesbeschluss über die Finanzierung und den Ausbau der Eisenbahninfrastruktur», über den wir am 9. Februar abstimmen (vgl. «Mehr Verkehr (macht mobiler)» ). Die Vorlage ist beinahe unbestritten. Euphorisch klingen sie trotzdem nicht, die Linksgrünen, die sich in den Regionen mit Verkehrspolitik herumschlagen. Im Gegenteil.
Fabi verankert einen Fonds für die Bahninfrastruktur in der Verfassung. Finanzieren sollen ihn unter anderem die Schwerverkehrsabgabe (LSVA), die Kantone, die Mineralöl- und die Mehrwertsteuer. Die Vorlage ist ein Gegenvorschlag zur zurückgezogenen Initiative «Für den öffentlichen Verkehr» des Verkehrs-Clubs der Schweiz (VCS), die die Hälfte der Mineralölsteuer zum ÖV umlagern wollte. Im Gegensatz zur Initiative ist sie ein Kompromiss, mit dem fast alle leben können, sogar der autofreundliche Touring Club Schweiz (TCS). Von den Parteien kämpft nur die SVP dagegen. Es gibt also ziemlich sicher mehr Geld für den öffentlichen Verkehr. Aber landet es auch dort, wo es sinnvoll und nötig ist?
Oberirdisch statt durch teure Tunnels
Martin Stuber zweifelt daran. Seit sich der grüne Zuger Kantonsrat in der Verkehrspolitik engagiert, ist sein Vertrauen in die SBB nicht gewachsen. Die Bundesbahnen seien nicht immer daran interessiert, die sinnvollste und günstigste Lösung zu finden, sagt er. Zum Beispiel beim Zimmerberg-Basistunnel II: Er soll dereinst Zürich direkt mit Baar bei Zug verbinden. Die Projektierung ist Teil des ersten mit Fabi verbundenen Ausbauschritts, der vom Parlament bereits abgesegnet wurde. Der Tunnel würde etwa 1,3 Milliarden Franken kosten – und sei völlig unnötig, sagt Stuber: «Es genügt, die bestehende Strecke auf zwei Spuren auszubauen. Das kostet nur die Hälfte.» Auch beim Ausbau der Strecke Zug–Arth-Goldau hätte es eine günstigere Variante als die von den SBB bevorzugte gegeben, sagt Stuber. Er hat dafür schon bei den Bundesbahnen lobbyiert – vergebens. Gerade darum befürwortet Stuber Fabi: «Die Vorlage bringt eine Kompetenzverschiebung von den SBB zum Bundesamt für Verkehr. Damit kann die Politik besser auf die Planung Einfluss nehmen.»
Paul Stopper ist da skeptisch. Der pensionierte Verkehrsplaner aus Uster, Mitglied des VCS-Zentralvorstands, meint: «Das Bundesamt für Verkehr entscheidet nicht sinnvoller als die SBB.» Doch sonst gleicht seine Kritik aufs Haar jener von Martin Stuber – nur geht es bei ihm um den Brüttener Tunnel. Dieser soll das Nadelöhr Effretikon–Winterthur entschärfen; seine Projektierung gehört ebenfalls zum ersten Fabi-Ausbauschritt. Auch hier sei eine oberirdische Variante viel sinnvoller, sagt Paul Stopper.
Auch der Verkehrsplaner befürwortet Fabi, obwohl er weitere Bedenken hat: «Wer über das Geld im Fonds bestimmen darf, ist nicht geregelt. Wahrscheinlich wird es der Bundesrat allein sein, wie bei den Nationalstrassen. Und der Fonds soll sowohl Neuinvestitionen als auch den Betrieb und den Unterhalt finanzieren – das läuft auf Verteilungskämpfe hinaus.» Der Bundesrat betont zwar, das Fabi-Geld sei vor allem für den Unterhalt des Bestehenden vorgesehen, aber im Text der Vorlage ist das nicht festgehalten.
Rennen statt Verlagerung
Der Zuger Martin Stuber sagt: «Was mir fehlt, ist eine Vision. Es gibt keine Diskussion darüber, wie das Schienennetz in fünfzig Jahren aussehen soll. Man kann nicht immer weiter ausbauen, irgendwann ist genug.» Das Ziel sollte sein, dass der Verkehr nicht mehr wachse. «Dann könnte man schauen, was es braucht, damit mehr Leute vom Auto auf den ÖV umsteigen. Doch der Wille dazu ist nicht da. Der kommt wohl erst, wenn das Öl knapp wird.»
Die zurückgezogene Initiative «Für den öffentlichen Verkehr» hatte ein klares Verlagerungsziel: Geld sollte von der Strasse genommen und der Schiene gegeben werden. Mit Fabi ist dieses Ziel nicht mehr so klar. Bürgerliche BefürworterInnen machen kein Geheimnis daraus, dass sie nach einem Ja zu mehr Schiene ein Programm für die Strasse erwarten. Der Aargauer SVP-Nationalrat und Autolobbyist Ulrich Giezendanner hat die Parlamentarische Initiative dazu schon im Herbst 2012 eingereicht: Er fordert einen «Fonds zur Finanzierung und zum Ausbau der Strasseninfrastruktur» (Fasi).
So sind wir statt bei der Verlagerung in einem Rennen gelandet: Die Eisenbahn muss wachsen, damit die Strasse nicht noch schneller wächst. Doch gerade das macht ein – kritisches – Ja unvermeidlich. Paul Stopper sagt: «Das Gute an Fabi ist: Man kann noch daran arbeiten. Auch wenn die Vorlage einige falsche Akzente setzt, lässt sich ihre Umsetzung verbessern. Und die Finanzierung über die Schwerverkehrsabgabe ist ein Erfolg.»