Linke Medienkrise konkret

In den sechziger Jahren klopften sich die Deutschen gegenseitig für ihr «Wirtschaftswunder» auf die Schulter, es war aber auch ein Jahrzehnt, in dem Staatsanwält:innen Werkzeuge wie das sogenannte «Schmutz- und Schundgesetz» zur Verfügung standen. Mittels Letzterem nahmen die deutschen Behörden damals die im Student:innenmilieu gegründete Zeitschrift «konkret» ins Visier. Stein des Anstosses waren schmierige Texte unter Titeln wie «Schülerliebe: Striptease und Mathematik», vor allem aber dürfte die Redaktion politisch allzu unbequem geworden sein, beispielsweise wegen ihrer Polemiken gegen die Aufrüstung der Bundeswehr.

Die Ordnungshüter:innen erreichten die gewünschte Dauerindizierung nicht. Sie hätte «konkret» vermutlich in den Ruin getrieben. Dieser droht dem Monatsmagazin nun aber knapp sechzig Jahre später. Mitte Januar hat die in Hamburg herausgegebene Zeitschrift einen Hilferuf lanciert: 2000 neue Abos müssten her, um das weitere Erscheinen gewährleisten zu können – und zwar «innerhalb kürzester Zeit». Ähnliche Notrufe hatte man zuletzt auch vom feministischen «Missy Magazine» oder dem Satireblatt «Titanic» gelesen, stets waren die zuletzt stark angestiegenen Betriebskosten unter anderem wegen der Inflation und der hohen Papierpreise Ursache der existenziellen Krise. So nun auch bei «konkret».

Sollte das Magazin tatsächlich Konkurs anmelden müssen, würde ein Stück linker Zeitgeschichte verschwinden. In «konkret» haben Leute wie Peter Hacks, Patrice Lumumba, Pablo Neruda oder Simone de Beauvoir publiziert. Ulrike Meinhof, die später mit der RAF in den Untergrund gehen sollte, war Anfang der Sechziger Chefredaktorin. Mitte der siebziger Jahre übernahm der frühere «Spiegel»-Redaktor Hermann L. Gremliza die Herausgeberschaft. Unter ihm bezog «konkret» immer wieder auch für die Linke polarisierende Positionen, etwa im Fall des Irakkriegs 2003 oder im Nahostkonflikt: Bis heute steht die Zeitschrift für einen proisraelischen Kurs. Zuletzt erregte «konkret» 2022 Aufsehen, als mehrere Autor:innen ihre Mitarbeit aufkündigten, weil die Blattlinie im Falle des Ukrainekrieges die Schuld an der Eskalation vor allem im Westen suchte.

Dass auch diese Kontroverse ihren Anteil an der aktuellen Krise haben dürfte, geht aus dem auf der Website des Hefts veröffentlichten Hilferuf hervor. Ein «Unternehmen wie konkret» gerate in Schwierigkeiten, heisst es dort, «wenn im Zuge einer politischen Zäsur [...] sich mit der Linken auch Teile seiner Leserschaft spalten: in jene, die die Chance ergreifen, endlich rechts abbiegen zu können, und jene, die dem Konformitätsdruck nicht nachgeben und an den Verhältnissen nicht korrupt werden wollen». Wer «konkret» kennt, den dürfte die Widerborstigkeit und Unbedingtheit, die aus diesen Zeilen spricht, nicht überraschen. Linker Diskurs braucht auch weiterhin Orte, an denen solche Zumutungen ihren Platz finden.

www.konkret-magazin.de