Berlinale: Nicht zum Aushalten?
Von allen grossen Filmfestivals galt die Berlinale stets als das «politischste». Auch wenn nie ganz klar war, was das genau bedeuten mochte: Jedes Jahr wurde in der Berichterstattung mehr oder weniger fleissig beteuert, dass dieser politische Anspruch zum Selbstverständnis der Berlinale gehöre. Dieser Ruf ist dem Festival jetzt auf die Füsse gefallen.
Mit Filmen hat das allerdings nichts, mit Politik dagegen alles zu tun. Genauer: mit der Einladungspolitik für die offizielle Eröffnung heute Abend, zum Auftakt der letzten Ausgabe unter der künstlerischen Leitung von Carlo Chatrian. Weil das Festival zu rund einem Drittel von der öffentlichen Hand finanziert ist, waren auf der Einladungsliste auch fünf Plätze für gewählte Politiker:innen der Alternative für Deutschland (AfD) vorgesehen. Nach einem Protestbrief mit 200 Unterschriften hat die Berlinale die AfD-Leute eine Woche vor der Eröffnung wieder ausgeladen. Schliesslich, so hiess es im offiziellen Statement, engagiere sich die Berlinale «seit Jahrzehnten für demokratische Grundwerte und gegen jede Form von Rechtsextremismus».
Die ebenfalls abtretende Koleiterin Mariette Rissenbeek hatte die Einladung von AfD-Leuten zunächst noch dahingehend verteidigt, dass es sich bei diesen nun mal um demokratisch gewählte Vertreter:innen aus kulturpolitischen Gremien handle. «Natürlich finden wir die Politik der AfD nicht akzeptabel», so Rissenbeek gegenüber Deutschlandfunk Kultur, bei der Berlinale sei die AfD deshalb «nicht willkommen». Doch das Festival müsse möglichst unabhängig bleiben von der Politik: «Als Festival politisch zu agieren, ist auch eine grosse Gefahr.» Eine politische Positionierung strebe die Berlinale nicht an, das würde nur zu einer weiteren Polarisierung führen.
So unbeholfen, dass sie habe lachen müssen: So kommentierte die Schriftstellerin Fatma Aydemir dieses Lavieren der Festivalleitung. Wenige Tage bevor die Verfilmung ihres Romans «Ellbogen» hier Premiere feiert, bedankte sich Aydemir in ihrer Kolumne im «Guardian» für den Druck, der die Berlinale zum Umdenken bewog. Denn: «Man lädt keine Faschisten ein und sagt, na ja, ich teile eure Meinung nicht, aber ich bin auch unpolitisch, also lasst uns zusammen ein paar Arthouse-Filme anschauen.»
Etwas anders sieht das der deutsche Regisseur Christian Petzold, der vor einem Jahr mit «Roter Himmel» einen Silbernen Bären gewann und jetzt der Wettbewerbsjury angehört. Als er an der heutigen Pressekonferenz der Jury dazu gefragt wurde, sagte Petzold: «Wir sind keine Feiglinge. Wenn wir es nicht aushalten, dass fünf Personen von der AfD im Publikum sitzen, werden wir unseren Kampf verlieren.»