Glücksstudie: Gute Gelegenheit

Wie glücklich sind Sie auf einer Skala von 0 bis 10? Auf dumme Fragen, so hiess es früher, gibt es auch dumme Antworten. In diesem Fall könnte man sagen: auf jeden Fall sehr unspezifische.

Gestern hat nicht nur der Frühling begonnen, es war auch Welttag des Glücks. Davon erfährt man vor allem darum, weil dann jeweils der «World Happiness Report» erscheint, ein mediales Grossereignis. Der Bericht basiert auf einer Befragung zum subjektiven Glücksempfinden in 143 Ländern, die auf einer Rangliste eingeordnet werden. Finnland ist demnach zum siebten Mal in Folge das glücklichste Land der Welt (mit 7,7 von 10 Punkten), die Schweiz (7,06) wird laufend unglücklicher (2021 noch Rang 4, jetzt Rang 9). Ansonsten fällt auf, dass die Jungen in Westeuropa und vor allem den USA merklich unglücklicher werden. So viel zu den Schlagzeilen.

Der Witz an dem Bericht: Es wird dafür nicht erhoben, aus welchen Gründen die Menschen sich für glücklich oder unglücklich halten. Man kann die nackten Zahlen und Ranglisten also einfach stehen und suggestiv wirken lassen – oder mutig das offene Feld beschreiten.

In der NZZ interessiert sich der «ökonomische Glücksforscher» Reto Odermatt für den Glücksverlust bei den Jungen. Er beobachtet eine zunehmende soziale Isolation und verweist auf einen «kausalen Zusammenhang zwischen erhöhter Nutzung von sozialen Netzwerken und geringerer Lebenszufriedenheit», das hätten Studien gezeigt. Aber ganz klar sei das noch nicht, eine gute Gelegenheit, um weitere Studien zu machen. In der «Zeit» nutzt der finnische Psychologe Frank Martela die Gelegenheit für ein Lob auf den nordischen Sozialstaat (auf den Plätzen 2 bis 4 auch vertreten von Dänemark, Island und Schweden): Einen Grund für das gute Abschneiden vermutet er darin, dass die finnische Regierung «tatsächlich in der Lage ist, für die Bürger da zu sein». Im «Tages-Anzeiger» schliesslich (gleiches Symbolbild mit springenden jungen Erwachsenen und Ballonen wie zu einem Artikel über das Glück ab 30 von 2021) wagt Michèle Binswanger eine zeitkritische Diagnose der Jugendbefindlichkeit: Unglück wird nicht nur gemessen, es wird auch eingeredet. Wird «die Jugend» «im Westen» «vermehrt vertherapeutisiert»? Liegt der Glücksverlust an der «um sich greifenden woken Ideologisierung»? Binswanger stellt nur Fragen. Und erinnert bei dieser Gelegenheit wieder einmal daran, wie schön, reich und sicher die Schweiz ist: «Darauf sollten wir stolz sein.»

Die Interpretation einer diffusen Untersuchung übers Glück, so viel scheint klar, ist reine Glückssache.