Von den «Grenzen des Wachstums» zur grünen Hand des Marktes Rekonstruktion einer Debatte.

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Illustration: Franziska Meyer

Der internationale Thintank Club of Rome publizierte im Frühling 1972 kurz vor dem ersten Umweltgipfel der Vereinten Nationen in Stockholm seinen Bericht zu den «Grenzen des Wachstums». Die deutsche Wochenzeitung «Die Zeit» sprach von einer «Bombe im Taschenbuchformat». Die Studie untersuchte anhand von fünf globalen Entwicklungstrends – dem Bevölkerungswachstum, der weltweiten Agrarproduktion, der Ausbeutung wichtiger Rohstoffreserven, der industriellen Entwicklung und der wachsenden Umweltverschmutzung – die Auswirkungen von weiterem Wirtschaftswachstum auf das Weltsystem.

Basierend auf einem computergestützten Verfahren, war das Ergebnis dieser Modellrechnung, die nur eine erste Grundlage für weitere Studien sein sollte, eindeutig: Jeder Tag weiter bestehenden exponentiellen Wachstums von Bevölkerung und Wirtschaft treibe das Weltsystem durch die Erschöpfung der natürlichen Ressourcen und eine Überforderung der Verschmutzungskapazität der Biosphäre näher an die Grenzen des Wachstums. Und auch die optimistischsten Annahmen über künftige technologische Errungenschaften könnten den Zusammenbruch nur einige Jahrzehnte hinausschieben.

Fünfzig Jahre nach dem Bericht des Club of Rome stellt sich die Frage nach den Grenzen des Wachstums eindringlicher als je zuvor. «Die Grenzen des Wachstums» gilt heute als ein Schlüsseltext für die – wenn auch langsame – Durchsetzung des neuen gesellschaftlichen Leitbilds «Umweltschutz» seit den siebziger Jahren. Auch in der Schweiz hat er Debatten um die Grenzen des Wachstums angestossen, die aus heutiger Sicht überraschend weitsichtig erscheinen.

Eine einfache Botschaft

Verfasst hatte die Studie eine Gruppe von Wissenschaftler:innen des Massachusetts Institute of Technology (MIT) unter der Leitung des Ökonomen Dennis L. Meadows im Auftrag des Club of Rome. Der Bericht erreichte eine Millionenauflage, wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und vermittelte eine bis heute einfach zu verstehende Botschaft: dass die Wirtschaft auf einem begrenzten Planeten nicht unbegrenzt wachsen kann. Das Buch reihte sich zu Beginn der Siebziger in eine ganze Serie von Publikationen ein, die nicht nur das rasche Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum kritisierten, sondern auch die immer sichtbarer werdende Umweltverschmutzung.

Illustration: Franziska Meyer

Bereits 1966 hatte der US-Ökonom Kenneth Boulding in seinem Aufsatz «The Economics of the Coming Spaceship Earth» die Metapher des Raumschiffs gewählt, um den mit begrenzten Ressourcen ausgestatteten Planeten als endlich und einmalig zu beschreiben. Kurz darauf erschienen die Bücher des US-amerikanischen Biologen Paul R. Ehrlich, «The Population Bomb» (1968), und des britischen Journalisten Gordon R. Taylor, «The Doomsday Book» (1970). Wie viele dieser Bücher trugen sie die apokalyptische Perspektive schon im Titel.

Vorausgegangen war der zunehmenden Wachstumskritik auch in der Schweiz eine langjährige Wachstumsphase in den fünfziger und sechziger Jahren mit hohen, seither nicht mehr erreichten Wachstumsraten. Das starke Wachstum bildete die Grundlage für den Ausbau des Sozialstaats und die Erhöhung der sozialen Sicherheit in den Nachkriegsjahren, die während des Kalten Krieges auch die sozialpolitische Überlegenheit im «Wettbewerb der Systeme» deutlich machen sollten. Gemäss dem Historiker Pietro Morandi basierte der Aufbau des Sozialstaats in der Schweiz von Anfang an auf dem «doppelten Fundament der sozialen Idee der Gerechtigkeit und der ökonomischen Idee des entfesselten Wachstums» und war eng mit der staatlichen Konjunktur- und Vollbeschäftigungspolitik verbunden. Zugleich lieferten der soziale Fortschritt und der Ausbau des Sozialstaats einen kaum zu überbietenden Anreiz, zur Steigerung volkswirtschaftlicher Leistungskraft beizutragen. Wachstum wurde deshalb von allen Parteien – inklusive der Gewerkschaften – begrüsst. Die sozialpolitischen Ansprüche der Gesellschaft und die Idee der sozialen Gerechtigkeit sind bis heute starke Wachstumstreiber geblieben.

Soziale Hölle oder Technikhimmel

Als der Bericht im Frühling 1972 auf zwei internationalen Konferenzen in Washington und an der Hochschule St. Gallen (HSG) vorgestellt wurde, kam es auch in der Schweiz rasch zu einer kontroversen und zum Teil gehässigen Debatte über die Grenzen des Wachstums. Die Studie wurde einerseits als grosse Pionierleistung gelobt, die die – bis heute – wichtige Frage aufgeworfen habe, wie auf lange Frist ein Wachstum der Wirtschaft ohne weiteren Abbau der Rohstoffvorräte und ohne zusätzliche Umweltverschmutzung möglich sei. Andererseits wurde das verwendete Weltmodell als unterkomplex – beziehungsweise nicht der Wirklichkeit entsprechend – kritisiert und der Bericht als Fehldiagnose, Weltuntergangsprophezeiung oder Umwelthysterie diffamiert.

Zentrale Protagonist:innen dieser Debatte entstammten den Hochschulen. In seiner Antrittsvorlesung an der Universität Zürich im Juni 1974 bezeichnete der Soziologe Hans-Joachim Hoffmann-Nowotny den Bericht als «Entwurf eines apokalyptischen Bildes» vom «bevorstehenden Ende der Welt» – argumentierte selbst aber nicht weniger apokalyptisch: Für Hoffmann-Nowotny wurde «mit der Frage nach dem Ende des Wachstums auch die Frage nach der Zukunft der Demokratie gestellt», würden die Umverteilungsauseinandersetzungen in einer solchen Gesellschaft doch «bisher unbekannte Dimensionen annehmen». Das politische System des von Meadows prophezeiten goldenen Zeitalters würde «eine gewalttätige Diktatur» sein. Mit Blick auf die Interessen der Menschen in den weniger entwickelten Ländern, deren Problem «nicht das wirtschaftliche Wachstum, sondern sein Fehlen» sei, warf er dem Bericht schliesslich vor, ein globales Modell «zur Verewigung von Elend und Ungleichheit» produziert zu haben. Hoffmann-Nowotny verwies damit auf einen bis heute zentralen Punkt in der Wachstumsdebatte und kritisierte – zu Recht – die fehlende sozialpolitische Dimension des Berichts.

Mehr wie aus dem damals aufsteigenden Silicon Valley argumentierte sein Zürcher Kollege Bruno S. Frey: Der Volkswirtschafter und Pionier der ökonomischen Glücksforschung blickte hoffnungsvoll nach vorn und baute auf die technische Lösbarkeit der immer sichtbarer werdenden Umweltprobleme. Die Frage nach allfälligen Grenzen des Wachstums konnte für ihn erst dann beantwortet werden, wenn «fundierte Annahmen über die in der Zukunft als wahrscheinlich zu erwartenden technischen Entwicklungen» vorliegen würden. Frey ging von einer dauernden Verbesserung der Umwelttechnik aus, sodass auch der «Zeitpunkt eines Zusammenbruchs fortlaufend in die Zukunft verschoben» werde.

Eine «Katastrophenstimmung» aufkommen zu lassen, war für ihn erst berechtigt, wenn sich die Umwelttechnik nachweisbar langsamer entwickeln würde als der technische Fortschritt im wirtschaftlichen Bereich. Die Modellberechnungen des Club of Rome betrachtete er deshalb «als blosse Spekulation» und empfahl, sich weniger über die Höhe als vielmehr über die Art und die Zusammensetzung des Wachstums Gedanken zu machen. Spekulativ waren allerdings auch Freys Annahmen über das Potenzial zukünftiger Umwelttechnologien.

Drei autofreie Sonntage

Tatsächlich schloss der Bericht in der Schweiz damals an eine aufkeimende Kritik am bislang weitgehend unwidersprochenen Fortschrittsglauben an – und an eine immer augenfälligere Umweltverschmutzung. Zu Beginn der 1970er Jahre waren in der Schweiz erst rund die Hälfte aller Haushalte an Abwasserreinigungsanlagen angeschlossen, und die meisten Abfälle wurden noch nicht in Kehrichtverbrennungsanlagen, sondern in Deponien entsorgt. Ein weiterer zentraler Protagonist der Debatte, Hans Christoph Binswanger, Professor für Volkswirtschaftslehre an der HSG und später Gründungsmitglied der Vereinigung für Ökologische Ökonomie, hatte bereits 1970 in seiner Antrittsvorlesung die Grundsatzfrage gestellt: «Was verändert sich eigentlich, wenn die Wirtschaft wächst? Insbesondere: Handelt es sich dabei in jeder Hinsicht nur um ein ‹Mehr›, also um einen Fortschritt, oder handelt es sich auch um ein ‹Weniger›, also letzten Endes um einen Raubbau am bereits Vorhandenen?»

Binswanger kritisierte, dass der Abbau der «von der Natur gegebenen Güter» in der volkswirtschaftlichen Produktionsfunktion fehle und die herrschende Wachstumstheorie ein Problem des Raubbaus nicht kenne. Für ihn war klar, dass es sich beim Wachstumsprozess in Wirklichkeit weitgehend um einen «Substitutionsprozess» handle. Wachstum war «nicht allein aus dem technischen Fortschritt, sondern auch aus dem vermehrten Gebrauch des Rohstoffs ‹Natur› beziehungsweise des Raubbaus an diesem – nicht vermehrbaren – Vorrat» zu erklären. Angesprochen war damit beispielsweise der seit den fünfziger Jahren massiv steigende Erdölverbrauch als zentraler Treiber für das Wachstum der Wirtschaftswunderjahre.

Nur ein Jahr nach der Publikation des Club of Rome machte die erste Ölpreiskrise im Herbst 1973 dann rasch deutlich, dass billige Rohstoffe und weiteres, insbesondere auf Öl basierendes Wachstum keine Selbstverständlichkeit mehr waren. Die drei autofreien Sonntage im November und Dezember 1973 waren für die Schweizer Bevölkerung auch deshalb ein so einschneidendes Erlebnis, weil damit zentrale Elemente der Wachstumspolitik der fünfziger und sechziger Jahre – der Autobahnbau und die rasch zunehmende Massenmotorisierung – buchstäblich ausgebremst wurden.

Inspiriert vom Bericht des Club of Rome, entstand in der Folge auch in der Schweiz weitere Forschung zum Thema «Wachstum und Umwelt». Unter der Leitung von Binswanger begann die 1972 gegründete und vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) finanzierte interdisziplinäre Arbeitsgruppe «Neue Analysen für Wachstum und Umwelt» (Nawu), nach neuen Wegen zu einer umweltgerechten Wirtschaftsentwicklung zu suchen. Die Ergebnisse ihrer Überlegungen wurden 1978 im «Nawu-Report» mit dem programmatischen Untertitel «Wege aus der Wohlstandsfalle» publiziert. Die moderne Industrie- und Konsumgesellschaft beschrieben die Nawu-Forscher:innen als eine «Zivilisationsmaschine», die laufend Rohstoffe in Abfälle verwandle und mit anhaltendem Wachstum immer schneller laufe.

Die Studie – deren Lektüre sich auch heute noch lohnt – beklagte nicht nur den «Leerlauf der Zivilisationsmaschine» oder das «Verstummen der Natur», sondern beschrieb auch die Strukturen einer alternativen Gesellschaft und formulierte konkrete Forderungen: Die Wegwerfmentalität sollte überwunden, die Energiepolitik stabilisiert, die Geldwirtschaft eingedämmt und stattdessen der Sozialdienst ausgebaut und die Eigentumsrechte in einem genossenschaftlichen Sinn reformiert werden. Nicht zuletzt gelte es, «die verhängnisvolle Blindheit der Nationalökonomie für den Zusammenhang zwischen Natur und Wirtschaft zu überwinden».

Die achtziger Jahre gingen dann – parallel zur internationalen Entwicklung – als eines der umweltbewegtesten Jahrzehnte in die Schweizer Geschichte ein. Nach der Gründung der Grünen Partei 1983 strebte die «Energieinitiative» der SP im September 1984 eine Neuorientierung der Energiepolitik durch eine sparsame Energieverwendung und die vorrangige Nutzung erneuerbarer Energiequellen an, wurde von der Stimmbevölkerung aber verworfen. Eine Reihe von oft emotional geführten Debatten prägte das Jahrzehnt: Im Fokus standen das «Waldsterben», die Einführung von Katalysatoren (1986), der Ausstieg aus der Atomenergie nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl (ebenfalls 1986) oder das «Ozonloch» und ein Verbot von FCKW-Gasen (1987). Als logische Folge dieser Entwicklung entstand an der ETH Zürich der neue Studiengang Umweltnaturwissenschaften.

Sein statt Haben?

Parallel zum steigenden Umweltbewusstsein gerieten auch die Wachstumsziele unter Beschuss. Im Verlauf der siebziger Jahre machte sich eine zunehmend konsumkritische Stimmung breit. Noch im März 1970 war im aargauischen Spreitenbach das erste grosse Shoppingcenter der Schweiz mit direktem Autobahnanschluss und über 1500 Gratisparkplätzen eröffnet worden. Bereits ein halbes Jahr später geisselte FDP-Bundesrat Nello Celio die «zerstörerische Seite des Fortschritts» und stellte, angelehnt an Boulding, fest: «Wir leben auf einem grossen Raumschiff mit begrenzten Reserven und schwieriger Abfallbeseitigung.» Die Wachstumswirtschaft war für Celio inzwischen «zu einem die Vorstellungen beherrschenden Mythos» geworden, der eine «kontinuierliche, aber bescheidene Expansion zum geschäftlichen Misserfolg» degradiere.

Im Frühling 1972 verkündete die «Gewerkschaftliche Rundschau» dann das «Ende der unbegrenzten Möglichkeiten» und forderte ein Wachstum mit neuem Inhalt ein, das auch an den externen Folgen – der wachsenden Umweltverschmutzung und dem steigenden Rohstoffverbrauch – gemessen werden sollte. Das 1970 mit dem Slogan «Wir bauen ein Paradies» eröffnete «Shoppi Spreitenbach» wurde nun zu einem scharf kritisierten Beispiel für die weiter expandierende Massenkonsum- und Wegwerfgesellschaft. 1976 forderte der Psychoanalytiker Erich Fromm in seinem Bestseller «Haben oder Sein» schliesslich, dem Zwang zu entrinnen, «die Industrie durch pathologisch übersteigerten Konsum auf Touren zu halten», und der gegenwärtigen Situation ein Ende zu machen, «in der eine gesunde Wirtschaft nur um den Preis kranker Menschen möglich» sei. Das Buch liest sich aus heutiger Sicht wie das Plädoyer für die Errichtung einer Postwachstumsgesellschaft avant la lettre.

Eine wichtige Folge dieser Kritik war eine Ausdifferenzierung des Wachstumsbegriffs, indem nun immer deutlicher zwischen quantitativem und qualitativem Wachstum unterschieden wurde. Eine Zunahme der Wertschöpfung sollte jetzt durch mehr Effizienz und ein verstärktes Wachstum immaterieller Güter erreicht werden, ohne weitere ökologische Belastungen hervorzurufen. Qualitatives Wachstum war dabei eng mit dem Begriff der Lebensqualität und einer Unterscheidung zwischen Wohlstand und Wohlfahrt verbunden. Emil Küng, wie Binswanger Professor für Volkswirtschaftslehre an der HSG, ging in den «Schweizer Monatsheften» bereits 1974 der Frage nach, wie sich eine höhere Wohlfahrt ohne Inanspruchnahme zusätzlicher Ressourcen, also ohne grösseren materiellen Wohlstand, erzielen lasse. Küng kritisierte die herrschende Auffassung, «Reichtum als Glücksgarantie» und «Wohlstand als Synonym für die subjektive menschliche Wohlfahrt» zu verstehen, und plädierte für eine grundlegende Neuorientierung und eine ganzheitliche Sicht der Dinge.

Im September 1982 setzte der Bundesrat die Expertenkommission «Qualitatives Wachstum» ein, die 1985 einen umfangreichen Bericht veröffentlichte. Die Forderung nach qualitativem Wachstum ergab sich für die Kommission aus einem Unbehagen über die Arbeitsbedingungen und das Konsum- und Freizeitverhalten, «Arbeitssucht», «Verschwendung und Prestigekonsum» sowie die «Umweltbelastung und Zerstörung von Lebens- und Erholungsräumen». Zwei Jahre später stellte der Bundesrat seine Regierungstätigkeit für die Legislaturperiode von 1987 bis 1991 unter die Leitidee des «qualitativen Wachstums».

Die grüne Hand des Marktes

Obwohl in der Schweiz seit der Krise der siebziger Jahre nie mehr die Wachstumsraten der fünfziger und sechziger Jahre erreicht wurden, kehrte die Wirtschaft in den achtziger Jahren wieder auf den Wachstumspfad zurück. Trotz des Übergangs vom quantitativen zum qualitativen Wachstum hatten die Debatten der siebziger Jahre den Begriff des Wachstums aber zunehmend diskreditiert. Zentral war in den Achtzigern deshalb nicht mehr der Wachstumsbegriff, sondern das neoliberale Zauberwort «Wettbewerb». Parallel zu den Wahlsiegen von Margaret Thatcher in Grossbritannien (1979) und Ronald Reagan in den USA (1980) stieg die FDP in der Schweiz bereits im Herbst 1979 mit dem Slogan «Mehr Freiheit, weniger Staat» in den Nationalratswahlkampf. 1988 schrieb der Zürcher FDP-Nationalrat und Direktor der Gesellschaft zur Förderung der schweizerischen Wirtschaft, Richard Reich, das Entscheidende am Thatcherismus sei der «Durchbruch zu einem Klimawandel» gewesen – «Arbeit statt Musse, Selbsthilfe statt Subventionen» –, und besonders im Bereich der Umweltpolitik sei es eine der grossen Aufgaben der achtziger Jahre, «die Umweltprobleme nicht gegen die Marktwirtschaft zu lösen, sondern mit ihr».

In der Stagnation der neunziger Jahre wurde die Tonlage mit Blick auf die schwindende internationale Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft weiter verschärft: Mit der Publikation des neoliberalen Weissbuchs «Mut zum Aufbruch. Eine wirtschaftspolitische Agenda für die Schweiz» sowie dem raschen Aufstieg der SVP unter Christoph Blocher wurde die wirtschaftspolitische Marschrichtung unter den Stichwörtern «Deregulierung», «Liberalisierung» und «Privatisierung» weiter vorangetrieben. Für FDP-Bundesrat Pascal Couchepin war «Wettbewerb» jetzt das «Zugpferd des Wachstums».

Parallel dazu setzten mit dem Zusammenbruch des Ostblocks und dem Ende des Kalten Krieges eine zweite Globalisierung und eine weitere Beschleunigung der Weltwirtschaft ein. Sie liessen den weltweiten Energie- und Ressourcenverbrauch trotz aller Fortschritte in der Umwelttechnik weiter ansteigen. In der Schweiz hatte der Bundesrat bereits 1990 das Aktionsprogramm «Energie 2000» lanciert, mit dem die Energieeffizienz erhöht und erneuerbare Energien gefördert werden sollten. Das Ziel, den Elektrizitätsverbrauch ab dem Jahr 2000 damit zu stabilisieren, entpuppte sich als illusorisch.

Der Glaube an die technische Entwicklung als Erlösungsversprechen und daran, dass die Grenzen des Wachstums immer weiter in die Zukunft verschoben werden können, lebt bis heute weiter. «Grünes Wachstum» wie der von der Europäischen Union Ende 2019 präsentierte «European Green Deal» setzt weiterhin auf eine Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch beziehungsweise auf eine sinkende Ressourcenintensität. Die Kritik an diesem Glauben hat der ehemalige Vorsteher des Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartements, SP-Bundesrat Willi Ritschard, bereits 1976 eindringlich formuliert: «Wir hätten […] eigentlich schon lange die Überlegung machen müssen, dass uns die Rohstoffe dieser Erde nicht ewig zur Verfügung stehen und dass sie eben endlich sind. Wir wissen es heute. Aber glauben wir es auch wirklich? […] Die meisten von uns sind immer noch auf einen fast unbedingten Fortschrittsglauben eingeschworen […]. Viele von uns sind noch immer davon überzeugt, dass der Fortschritt der Menschheit weitgehend ein technisches Problem sei. […] Und je unverständlicher uns die Technik wurde, desto grösser wurde eigentümlicherweise unser Glaube an sie. Man spricht von den ‹Wundern der Technik› und vergisst dabei, dass Wunder ausserhalb des Menschlichen stehen.»

Roman Rossfeld ist Wirtschaftshistoriker und wissenschaftlicher  Mitarbeiter an der Abteilung für Wirtschafts-, Sozial- und Umweltgeschichte des Historischen Instituts der Universität Bern. Zurzeit arbeitet er als Herausgeber an einem Sammelband zur Geschichte des Wirtschaftswachstums und der Wachstumskritik in der Schweiz vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart.

Club of Rome

Wer ist dieser Klub, der vor fünfzig Jahren die weitreichende Publikation «Grenzen des Wachstums» anregte und finanzierte? Gegründet 1968 auf Initiative des italienischen Industriellen Aurelio Peccei und des Schotten Alexander King von der OECD, zählt der Club of Rome stets um die hundert Mitglieder: Wissenschaftler:innen und Entscheidungsträger:innen aus rund dreissig Ländern und unterschiedlichen Bereichen. Sie wollen die zentralen Zukunftsprobleme der Menschheit nicht nur benennen, sondern auch mit möglichst ganzheitlichem Anspruch Lösungsansätze aufzeigen.

Die gemeinnützige Organisation kommt in der Regel einmal im Jahr zusammen, das erste Treffen fand 1970 in Bern statt. Spätere Publikationen konnten nicht an den Erfolg von «Die Grenzen des Wachstums» anknüpfen, obwohl man mit Themen wie «Doppelter Wohlstand – halbierter Naturverbrauch», «Die Zukunft der Ozeane», «Die Grenzen der Privatisierung» oder «Im Netz – die hypnotisierte Gesellschaft» oft schon früh drängenden Zeitfragen auf der Spur war.