In Deutschland wird mal wieder politisch motiviert über Kriminalität diskutiert. Am Dienstag stellte Innenministerin Nancy Faeser die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik (PKS) vor. Die Zahl der Straftaten sei 2023 um 5,5 Prozent gestiegen, die Zahl der Tatverdächtigen ohne deutschen Pass um 17,8 Prozent. Bereits am Wochenende hatte Springers «Welt» vorab den Ton gesetzt: Rekordanstieg der Kriminalität, Ausländer:innen bedrohen die Sicherheit! Ähnlich klang es dann auch an der Pressekonferenz, an der Faeser forderte: schneller ausweisen, Polizeibefugnisse stärken.
Nun mühen sich jene, die sich wissenschaftlich mit dem Thema beschäftigen, ab, das Bild wieder geradezurücken. «Die PKS wird behandelt wie der Goldstandard der Kriminalitätsmessung. Sie ist aber nur der Blechstandard», sagte der Kriminologe Tobias Singelnstein bei «Zeit Online». In der Tat ist die Statistik eine Datensammlung, die – mit einigen Ausnahmen wie Verkehrs- oder Steuerdelikte – Straftaten umfasst, die von den Polizeien an die Staatsanwaltschaften abgegeben wurden. Verzerrungen ergeben sich in viele Richtungen: So sagt die PKS nichts darüber aus, ob auch eine Verurteilung erfolgt ist – in siebzig Prozent der Fälle ist das nicht der Fall. Umgekehrt finden viele Straftaten keinen Eingang in die Statistik. Insbesondere solche, bei denen von einem hohen «Dunkelfeld» ausgegangen wird, etwa bei Sexualstraftaten, sind unterrepräsentiert.
Doch selbst anhand der vorliegenden Daten liessen sich leicht andere Schlüsse ziehen als jene, die nun öffentlich diskutiert werden. So sind in den vergangenen zwei Jahren vergleichsweise viele Menschen nach Deutschland eingewandert. Bezieht man das ein, fällt der Anstieg der Tatverdächtigen ohne deutschen Pass kleiner aus als bei den deutschen Tatverdächtigen. Auch werden Straftaten erfasst, die Deutsche gar nicht begehen können, wie Verstösse gegen das Aufenthaltsrecht. Und schliesslich sind Sammelunterkünfte, in denen viele Delikte gemeldet wurden, besonders stark überwachte Orte, ihre Bewohner:innen vergleichsweise jünger als der Durchschnitt der Bevölkerung – und erheblich ärmer. Alles Faktoren, die in allen Bevölkerungsgruppen mit einer höheren Kriminalität korrelieren.
Statt aber beispielsweise über wirtschaftliche Not als Grund für Kriminalität zu sprechen – Diebstähle haben der PKS zufolge überdurchschnittlich stark zugenommen, und der Anstieg ist besonders in armen Regionen hoch –, wird das uralte rassistische Märchen von den kriminellen Ausländer:innen erzählt. Punktsieg für das Medienhaus Springer. In die nächste Statistik sollte diese kriminelle Meinungsmache eigentlich ebenfalls Eingang finden.
Kommentare
Kommentar von Manuel123
Mi., 10.04.2024 - 20:48
Genau, weil ja schliesslich von wirtschaftlicher Not lediglich junge Männer vorwiegend ausländischer Herkunft betroffen sind - und diese Not dann verständlicherweise auch stets in Kriminalität mündet.
Glauben Sie das wirklich, was Sie da von sich geben? Schon beeindruckend, so viel Fantasie zu besitzen.
Nur weil diese Zahlen (leider) einmal mehr Wasser auf die Mühlen der Rechten sind, bringt es nichts, diese schönzureden. Da macht sich die Linke nur unglaubwürdig.
Kommentar von stefanz
Mo., 15.04.2024 - 13:24
@Manuel123 Der Artikel behauptet keineswegs, dass "von wirtschaftlicher Not lediglich junge Männer vorwiegend ausländischer Herkunft betroffen sind" oder dass "diese Not dann verständlicherweise auch stets in Kriminalität mündet". Ich bitte um Quellenangabe.
Es geht um die schwierige Interpretation von Statistiken, und um die Unterscheidung von Korrelation und Kausalität. Die Unterstellung, dass die Staatsangehörigkeit der Grund für kriminelles Verhalten ist, ist genau das, eine Unterstellung, und zwar ohne jeglichen Beweis. Dass einige einfach einen kausalen Zusammenhang behaupten und Erfolg damit haben, macht die Behauptung keineswegs wahr.
Mir wurde durch den Artikel jedoch klar, dass die Daten augenscheinlich ziemlich viele Probleme haben. z.B. wird nicht erfasst, ob eine Verurteilung erfolgte oder nicht. Bei einer solchen Datenlage habe ich dann doch eher Zweifel, ob sich überhaupt irgendwelche gesicherten Erkenntnisse gewinnen lassen.