Die Massenproteste in Deutschland gegen die AfD sind wieder abgeebbt, ohne grössere Wirkung entfaltet zu haben. Doch juristisch bleibt die rechtsextreme Partei unter Druck: Am Montag urteilte das Oberverwaltungsgericht Münster, dass die AfD vom Bundesamt für Verfassungsschutz weiterhin als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft und beobachtet werden darf.
Der stellvertretende AfD-Bundessprecher Peter Boehringer war nach der Urteilsverkündung sehr darum bemüht, das Bild zu relativieren. So eindeutig sei die Entscheidung der Richter nicht gewesen, behauptete Boehringer, im Urteil würden nur Verdachtsmomente aneinandergereiht. Jovial resümierte der Parteisprecher: «Eine wichtige Information in die Partei hinein: Unsere Programmatik ist seit 2013 praktisch vollständig unproblematisch. Trotz akribischster Suche hat man in acht Bundestagswahl-, Europawahl- und Grundsatzprogrammen nichts gefunden.»
Unangenehm ist die Bewertung als Verdachtsfall, weil sie den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel ermöglicht und damit den Druck auf die einfache Mitgliedschaft erhöht. Für eingeschworene Anhänger:innen, die die AfD als Systemopposition betrachten, dürfte das wenig Wirkung haben. Doch für AfD-Mitglieder, die bei der öffentlichen Hand oder bei grossen, um ihr Image besorgten Unternehmen arbeiten, kann die Einstufung zum Problem werden. Unlängst kündigte beispielsweise der Wohlfahrtsverband der evangelischen Kirchen, die Diakonie Deutschland, an, man werde Mitglieder der rechtsextremen Partei entlassen. Unter Staatsbediensteten dürften die Sorgen ebenfalls gross sein. Und schliesslich befeuert das Urteil die Debatte um ein mögliches Verbot der AfD.
Ob es eine gute Idee ist, die extreme Rechte auf diese Weise zu bekämpfen, darf allerdings angezweifelt werden. Die Erfahrung zeigt, dass sich Verbotsmechanismen, sind sie einmal etabliert, immer eher gegen Linke als gegen die rechten Strukturen richten. Und auch die politische Blossstellung funktioniert nur sehr begrenzt. Björn Höcke, AfD-Spitzenkandidat in Thüringen, stand heute in Halle wegen der Verwendung der SA-Parole «Alles für Deutschland» vor Gericht und wurde schuldig gesprochen. Er wurde zu einer Geldstrafe von 13 000 Euro verurteilt.
Bei den anstehenden Landtagswahlen in Thüringen im September wird Höcke vermutlich auch das nicht weiter schaden. Die meisten AfD-Anhänger:innen wählen die Partei nicht trotz, sondern wegen ihres Rechtsextremismus.