Schaffhausen: Widerstand gegen das Wegschauen
«Hast du das gesehen? Ich bin fassungslos!» oder «Was für eine verdammte Sauerei, zu krass!»: Solche Nachrichten schickten sich am letzten Mittwochabend unzählige Schaffhauser:innen zu. Kurz zuvor hatte das SRF-Magazin «Rundschau» einen schockierenden Fall sexualisierter Gewalt publik gemacht, der im Dezember 2021 in Schaffhausen stattgefunden hatte: Damals verprügelten mehrere Männer in der Wohnung eines stadtbekannten Anwalts über mehrere Stunden hinweg eine Frau. Mutmasslich, um eine Anzeige ihrerseits gegen einen Bekannten des Anwalts zu verhindern, der sie vergewaltigt haben soll.
Von dem brutalen Übergriff existieren Videoaufnahmen, die das Ausmass der Gewalt in fast unerträglicher Weise dokumentieren. Das war ein zentraler Punkt, weshalb der «Rundschau»-Bericht so viele Leute in der Stadt aufgewühlt und aufgebracht hat. Ein anderer war, dass die Schaffhauser Polizei und die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungsarbeit und insbesondere die Beweissicherung offensichtlich nur mangelhaft ausgeführt hatten.
Aus der Wut und der Betroffenheit heraus organisierten daraufhin mehrere Privatpersonen als parteiloses und heterogen zusammengesetztes Kollektiv die Petition «Überlebende statt Täterschaft schützen», die bis heute Nachmittag über 8000 Menschen unterschrieben haben. Zudem rief das Kollektiv zu einer Kundgebung auf.
Diese fand dann am Samstagvormittag vor dem Polizeizentrum am Rand der Schaffhauser Altstadt statt und war mit mehr als 500 Teilnehmer:innen eine der grössten der jüngeren Stadtgeschichte. Die Stimmung unter den Teilnehmer:innen war aussergewöhnlich. Zu Wut, Trauer und Betroffenheit kam Widerständigkeit. Einige hielten Schilder mit Parolen wie «Nein zu unzureichender Polizeiarbeit» oder «Lappi, tue d' Auge uf bi Missbruch» hoch. Die Reden, einerseits von Betroffenen, die von Gewalterfahrungen mit der Polizei berichteten, andererseits vom organisierenden Kollektiv, das seine Forderungen kundtat, erhielten viel Applaus.
Es war ein starkes, emotional bewegendes Zeichen der Zivilgesellschaft, nicht wegsehen zu wollen. Ein Signal auch an die städtischen Behörden, ihre Verantwortung endlich wahrzunehmen. Davon sind diese allerdings weit entfernt. «Seitens Strafverfolgungsbehörden ist in diesem Fall alles korrekt abgelaufen, und die Behörden haben sich keinerlei Unregelmässigkeiten zuschulden kommen lassen», sagten diese Ende letzter Woche gegenüber SRF. Eine Reaktion, die das Kollektiv so nicht hinnehmen mag. Diese Woche sind weitere Treffen geplant, um die nächsten Schritte zu besprechen.