Medientagebuch: Vom Zorn zur Zeitung

Nr. 19 –

Jan Jirát über ein junges Zeitungsprojekt aus Schaffhausen.

Die Schaffhauser Presse ist über die letzten Jahrzehnte hinweg verwelkt. Mit dem Verlag Meier und Cie. AG ist dabei ein Monopolist zurückgeblieben. Er gibt die einzige regionale Tageszeitung heraus, die «Schaffhauser Nachrichten», dem Verlag gehören zudem der jeweils wichtigste Radio- und Fernsehsender des Kantons. Zweifelhafte Bekanntheit hat das bis anhin unabhängige Medienunternehmen mit der Sendung «Tele Blocher» erlangt. Für ein wenig Konkurrenz sorgt allenfalls der «Schaffhauser Bock»: eine wöchentliche Gratiszeitung mit vielen Anzeigen und wenig relevantem Inhalt, die vorab vom steinreichen Unternehmer Giorgio Behr finanziert wird. Zudem hat hier bis heute die letzte Arbeiterzeitung der Schweiz überlebt, die ebenfalls wöchentlich erscheinende «Schaffhauser AZ».

Vor dreieinhalb Jahren ist aber ein neues Projekt aufgetaucht: Vierteljährlich erscheint jetzt «Lappi tue d’Augen uf». Am Ursprung des Magazins stand der Zorn eines jungen Journalisten. Thomas Leuzinger sammelte damals erste journalistische Erfahrungen und stiess auf unerwartete Widerstände. «Für die ‹AZ› wollte ich beispielsweise ein Streitgespräch mit den Jungfreisinnigen aufzeichnen, die sich als notorische Steuersenker aufspielen. Das wurde abgelehnt mit der Begründung, man wolle dieser Partei keine Plattform bieten», sagt Leuzinger. Ausserdem fehlten ihm in den vorhandenen Zeitungen bissige Recherchen und der Mut, auch mal jemandem auf die Füsse zu treten.

So sei der Wunsch gewachsen, eine eigene Plattform aufzubauen – ohne von oben auferlegte Schranken. Anfang 2009 nahm die Plattform erste Formen an. Die Alternative Liste Schaffhausen (AL), die heute einen Stadtrat stellt und sowohl im Kantons- als auch im Stadtparlament Fraktionsstärke erreicht, signalisierte Interesse an einer Zusammenarbeit. Schon elf Monate später erschien die erste Ausgabe des «Lappi tue d’Augen uf» – der Name des Magazins leitet sich von der bekannten Inschrift am Schwabentor ab, einem einstigen Wehrturm am Rand der Schaffhauser Altstadt.

24 Seiten dick war die erste Ausgabe und durchgehend schwarz-weiss. Der Inhalt war in drei Teile gegliedert: zuvorderst aktuelle, regionalpolitische Texte, dann folgte das Schwerpunktthema «Datenschutz», am Schluss standen die offiziellen Mitteilungen der AL. Mittlerweile ist die zwölfte Ausgabe erschienen, 52 Seiten, teils farbig. Texte, Layout, Bildauswahl – alles ist spürbar professioneller geworden. Geblieben ist der Schwerpunkt, aktuell geht es um Wohnungspolitik. Zuhinterst kommt nun ein Kulturteil. «Die AL ist redaktionell nicht mehr eingebunden», so Leuzinger. Es bestehe aber nach wie vor ein reger Austausch.

Als Schlüsselereignis bezeichnet der Journalist, der das Heft gemeinsam mit Mattias Greuter und Marlon Rusch redigiert, eine «Lappi»-Recherche vom November 2012. Die Redaktion hatte im Vorfeld der Kantonsratswahlen herausgefunden, dass auf der SVP-Seniorenliste mehrere KandidatInnen standen, die nichts davon wussten. Der Fall sorgte national für Schlagzeilen «und hat uns viele Abos beschert», erklärt Leuzinger – zurzeit seien es 200.

«Mittelfristiges Ziel ist schon, dass wir unsere vorwiegend jungen Schreiber auch bezahlen können», so Leuzinger. Bisher werden die Aboeinnahmen in die Infrastruktur, in Qualitätsverbesserungen und in Recherchen gesteckt, die Inserateeinnahmen decken die Druckkosten.

Alle bisherigen Ausgaben auf: 
www.lappi.ch.

Jan Jirát ist WOZ-Inlandredaktor in Zürich. 
Er wuchs in Schaffhausen auf, als es 
den «Lappi» noch nicht gab, den er heute abonniert hat.