Ausserhalb von Recht und Ordnung

Wie kann das bloss gut werden? Bei der Kantonspolizei Basel-Stadt, die über Recht und Ordnung wachen sollte, gelten eigene Gesetze. Was dort läuft, «würde in keinem Büro akzeptiert». Das sagte der Basler Rechtsprofessor Markus Schefer, als er am Freitag eine externe Untersuchung zur Basler Kantonspolizei vorstellte. Gemeinsam mit der niedersächsischen Polizeidirektorin Claudia Puglisi hatte Schefer 372 von 1000 Polizei­mitarbeiter:in­nen zu ihrem Arbeitsalltag befragt. Anlass war die extrem hohe Fluktuation im Korps, über 100 Stellen können nicht besetzt werden.

Vor allem für Frauen, so ein Hauptbefund der Untersuchung, ist der Leidensdruck immens. Polizist:innen müssten eine «nicht unerhebliche innere Anpassungsleistung erbringen, um in einem ihrer Geschlechtlichkeit gegenüber verbreiteten eher kruden Klima bestehen zu können», heisst es im Bericht. In anderen Worten: In der Basler Polizei herrscht ein notorisch frauenfeindliches Arbeitsklima.

«Weit verbreitete Praxis» von Vorgesetzten sei es, neuen Polizistinnen Unterstützung anzubieten und diese dabei «mehr oder weniger verschleiert» zu intimen Kontakten einzuladen. «Sie scheinen dabei einer recht sorgfältig aufgebauten Taktik zu folgen». Der Bericht schildert auch ein Begrüssungsritual mit «Küssen jenseits des Üblichen».

Bei der Basler Polizei ist ganz vieles jenseits des Üblichen. Schefer und Puglisi geben Einblicke in eine toxische Cop Culture, die grenzüberschreitendes Verhalten normalisiert und jegliche Kritik daran bestraft. Wer einen Entscheid hinterfragt oder auf Fehlverhalten hindeutet, dem oder der wird die Kündigung nahegelegt. Man müsse sich mit den Vorgesetzten gut stellen und sich «der bestehenden Orthodoxie» beugen, heisst es im Bericht. Von einer ausgeprägten Vetternwirtschaft ist die Rede. Es gelte das «Peter-Prinzip»: Wer über die richtigen Beziehungen verfüge, würde so lange befördert, bis auf einem Posten die ganze Unfähigkeit deutlich werde.

Auch auf ein strukturelles Rassismusproblem ist die Untersuchung gestossen. Vor allem in isolierten Einheiten wie dem umstrittenen Einsatzzug herrschten üble Zustände. Negative Stereotype seien vor allem gegenüber Menschen aus Nordafrika ausgeprägt, sagte Schefer. Diese «problematischen Verhaltensmuster» würden toleriert. Die Polizeileitung habe es bislang verpasst, die «systemische Dimension» von Rassismus und Sexismus im Korps zu erfassen und dagegen anzugehen.

Wie weiter also? Die verantwortliche Sicherheitsdirektorin, Stephanie Eymann (LDP), bedingt sich für eine Reaktion auf den Bericht Zeit aus. Als gesichert gilt, dass Kommandant Martin Roth gehen muss. Doch die im Bericht geäusserte Kritik umfasst praktisch den ganzen Kaderapparat der Kantonspolizei. Die gesamten tragenden Strukturen des Korps scheinen marode.

Schefer und Puglisi haben dreissig Empfehlungen für eine Verbesserung der Lage abgegeben. Fünf bis zehn Jahre dauere so ein Kulturwandel, sagte Puglisi. Doch ob dieser wirklich gelingen kann, bleibt fraglich. Das würde nämlich bedingen, sich von ganz vielen problematischen Polizisten zu trennen. Manche davon, so Schefer, seien mental in den neunziger Jahren stecken geblieben. Als Festgenommene noch regelmässig auf dem Posten misshandelt worden seien und es danach geheissen habe, sie seien auf der Treppe gestolpert. Von dort bis in die Gegenwart ist es ein langer Weg.