Basler Polizeialltag: Toxische Kultur im Korps

Nr. 25 –

Eine externe Untersuchung soll besorgniserregende Zustände bei der Basler Polizei festgestellt haben. In Auftrag gegeben wurde sie, weil viele Polizist:innen frustriert kündigen und zahlreiche Stellen nicht besetzt werden können.

Die Basler Politik wartet gebannt auf diesen Freitag, den 21. Juni. Dann veröffentlichen der Verwaltungsrechtler Markus Schefer von der Universität Basel und die niedersächsische Polizeidirektorin Claudia Puglisi ihren Untersuchungsbericht zu den Zuständen in der Basler Kantonspolizei. In Auftrag gegeben hat die Untersuchung Martin Roth, der Kommandant der Kantonspolizei Basel-Stadt. Der Bericht soll Antworten auf die Frage geben, warum so viele Basler Polizist:innen ihren Job wieder aufgeben.

Die Fluktuation im Korps ist enorm, derzeit können 120 Stellen nicht besetzt werden, 2022 waren es 80 offene Stellen. Die Untersuchung hat einen regelrechten Ansturm auf Schefer und Puglisi ausgelöst: Rund 1000 Personen arbeiten bei der Polizei, 350 Mitarbeiter:innen und Ehemalige berichteten über Missstände im Arbeitsalltag. Durchgesickert ist bislang bloss der allgemeine Befund des Berichts: besorgniserregend.

Wie umfassend die Missstände dargestellt werden, wie geglättet oder detailliert die Vorwürfe, bleibt bis Freitag offen. Doch auch die WOZ hat in den vergangenen Monaten mit zahlreichen Polizist:innen über die Zustände im Korps gesprochen. Es sind drastische Schilderungen – die auch auf dem Tisch von Schefer und Puglisi gelandet sein dürften. Skizziert wird ein Polizeialltag, in dem es immer wieder zu sexistischen, rassistischen und antisemitischen Grenzüberschreitungen kommt, zu Gewaltausbrüchen und Machtmissbrauch. Und zwar gegenüber Personen, die in den Fokus der Polizei geraten, wie gegenüber Kolleg:innen im Korps. Eine toxische Cop Culture, die viele abschreckt, die korrekte Polizeiarbeit leisten wollen.

Problemcops im Einsatzzug

Die befragten Polizist:innen fühlen sich eingeschüchtert und wollen nicht, dass ihre Erfahrungen öffentlich werden. Sie haben Angst vor Repressalien durch Kolleg:innen – oder davor, auf schwarzen Listen zu landen, sodass sie auch in einem anderen Polizeikorps keine Stelle mehr finden. Sie vertrauen nun darauf, dass der Untersuchungsbericht zu einer Zerschlagung der problematischen Strukturen und einer Entmachtung der Problemcops führt. Doch bislang erwies sich die Basler Polizei als reformresistent.

Im Fokus mehrerer kritischer Erzählungen steht der sogenannte Einsatzzug, eine Abteilung mit vielen operationellen Freiheiten, zu Hause im Kleinbasler Brennpunktquartier Horburg. Steigen die Polizist:innen aus ihren unmarkierten dunkelgrauen VW-Transportern aus, geht es oft gleich zur Sache. Einige Basler Polizeiskandale führen nach Horburg. Vor zwei Jahren berichtete SRF von mehreren Gerichtsurteilen gegen Mitglieder des Einsatzzuges. In zwei Fällen ging es um gewalttätige Übergriffe nach Festnahmen und im Fall des Teamleiters K. um Gewaltfantasien und pornografische Darstellungen in einer internen Chatgruppe. Zwei Polizisten wurden in den Innendienst versetzt, Teamleiter K. entlassen.

Polizeikommandant Roth sprach damals von «schwerwiegenden Einzelfällen» und versicherte: «Der Einsatzzug hat kein systematisches Gewaltproblem.» Doch die WOZ weiss von einem weiteren personalrechtlichen Verfahren gegen einen Kaderpolizisten des Einsatzzuges. Diesem werden verschiedene Grenzüberschreitungen vorgeworfen, die Polizei­leitung hat ihn deshalb degradiert und in eine andere Abteilung versetzt. Ein Rekurs gegen diese Bestrafung ist vor dem Basler Appellationsgericht hängig. Die Kantonspolizei erklärt dazu, dass sie aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes generell keine Auskunft gebe, ob gegen Mitarbeitende ein Verfahren eröffnet worden sei.

Immerhin scheint Roth mittlerweile die Systematik hinter all den Einzelfällen erfasst zu haben. Letzten Winter kündigte die Polizeileitung intern eine grosse Reorganisation an. Der Stützpunkt Horburg soll in die Sicherheitspolizei integriert werden. Ob die Reform gelingt und wann sie zum Abschluss kommt, ist unklar. Angekündigt ist vorderhand bloss eine Arbeitsgruppe.

Nach der Veröffentlichung des Untersuchungsberichts werden sich aber nicht nur Fragen nach internen Massnahmen stellen, sondern auch nach politischen Konsequenzen. Bislang drehte sich die politische Debatte zum Personalmangel bei der Polizei bloss um zu viele Demonstrationen, um angeblich fehlenden Respekt in der Bevölkerung und vor allem um die Entlöhnung, die im Vergleich zu Kantonen wie Genf oder Zürich zu tief sei.

Weitere offene Fragen

Dabei erhält, wer die Polizeischule absolviert, einen als pauschale Spesenentschädigung verkleideten Bonus von fast 5000 Franken auf die Hand. Dazu kommt eine sogenannte Arbeitsmarktzulage von 400 Franken pro Monat. Und kürzlich verlangte der Grosse Rat, das Kantonsparlament, obendrauf noch eine «substanzielle Lohnerhöhung» für alle Polizist:innen ab Mai 2025. Nur die SP war dagegen, Grüne und Basta waren aus gewerkschaftlichen Gründen dafür. Doch die Missstände bei der Basler Polizei lassen sich nicht mit Geld beheben, sie sind mit den toxischen Strukturen verbunden. Die wichtigste politische Frage, die auf den Bericht folgen muss, lautet deshalb: Übernimmt die zuständige Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann (LDP) die Verantwortung für den schlechten Zustand der Kantonspolizei?

Nachtrag vom 4. Juli 2024: Fisch, Kopf, Kündigung

Es sei ein erster Entscheid, sagte die Basler Polizeidirektorin Stephanie Eymann letzten Freitag vor der Presse, «aber es ist nicht der letzte». Eymann hat den Kommandanten Martin Roth freigestellt, nachdem ein Untersuchungsbericht die unhaltbaren Zustände im Korps offenbart hatte. Recherchen der WOZ zufolge ist alles noch schlimmer als im Bericht skizziert: explizite, sexistische Beleidigungen gegenüber Polizistinnen, rassistische Polizeikontrollen, Gewalt gegenüber Schwarzen, sexuelle Übergriffe – die Liste ist lang.

Die Ausgangslage, so Eymann, sei verheerend. Einen Kulturwandel herbeizuführen, brauche allerdings Jahre, das müsse man nun angehen. Ausserdem danke sie Kommandant Roth, der den Untersuchungsbericht erst in Auftrag gegeben hatte. Da aber die Leitungsebene und der Kommandant Teil des Problems seien, führe der «Weg in die Zukunft» über eine neue Leitung.

Als konsequent und entschlossen wurde Eymann in den Medien danach gelobt. Dass sich die LDP-Politikerin offenbar nicht zur Leitungsebene zählt und es ihr auch nicht einfällt, dass sie als Departementsvorsteherin eine Mitverantwortung tragen könnte? Ein Detail. Dass sie doch eigentlich seit Jahren mit Roth zusammengearbeitet hat und nun vorgibt, nichts gemerkt zu haben? Dass Roths Kündigung wohl vor allem Eymanns Profilierung dient, sie Handlungsfähigkeit demonstrieren kann auf einem Feld, das hoffnungslos verloren ist? Alles Details.

Bemerkenswert sind neben dieser symbolischen Dampfplauderei vor allem zwei Aussagen: Erstens bezweifelte selbst Eymann, dass eine von der Ratslinken geforderte PUK einen Kulturwandel herbeiführen könnte. Und zweitens sagte sie, sie habe Rückmeldungen von anderen Sicherheitsdirektor:innen in der Schweiz erhalten; bei denen sehe es «ähnlich» aus.

Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass eine Institution, die das staatliche Gewaltmonopol verkörpert, voller Gewalt ist – und alles andere als ein Ort kritischer Selbstreflexion. Wie sieht es im Berner Korps aus? Wie im Genfer oder Aargauer? Man darf vermuten: Der Fisch stinkt auch ohne Kopf.