EM: Top und Flop

Georgien qualifiziert sich bei der ersten Teilnahme an einer Fussball-Europameisterschaft gleich für den Achtelfinal; Rubén Vargas schiesst die Schweiz mit einem Traumtor in den Viertelfinal; Merih Demiral feiert das Weiterkommen der Türkei mit dem rechtsextremen Wolfsgruss: Die Europameisterschaft in Deutschland ist bisher eine einzige Aneinanderreihung von Highlights und Tiefpunkten. Eine kurze Übersicht vor dem heutigen Halbfinal.

Schweizer Nationalmannschaft

Wie wenig wurde der Schweizer Mannschaft vor dem Turnier zugetraut: Mämä Sykora, SRF-Fussballpodcaster und Chefredaktor des Fussballmagazins «Zwölf», tippte auf zwei Tore im gesamten Turnier. Nach dem Sieg im Startspiel gegen Ungarn waren es bereits drei. Danach brachte das Team Deutschland und England an den Rand einer Niederlage und besiegte den amtierenden Europameister Italien souverän.

Sascha Ruefer

«Kein Abseits», ruft Nati-Kommentator Sascha Ruefer den Zuschauenden mit energiegeladener Stimme entgegen und ist dann immer wieder ehrlich überrascht, dass nach dem Torschuss doch auf Abseits entschieden wird. Dass der Mann für die grossen Spiele beim SRF auch sechs Jahre nach der Einführung der Videoschiedsrichter:innen noch immer nicht verstanden hat, dass jeweils eine Situation zu Ende gespielt und dann erst die Entscheidung angezeigt wird, ist beispielhaft für seine Leistung am Mikrofon. Wie ein Pitbull verbeisst sich Ruefer in Nebenschauplätze und lässt bis zum Schlusspfiff nicht mehr los. Dazwischen erfährt das Publikum allerhand Fakten, zum Beispiel wie viele gelbe Karten der Schiedsrichter in seiner Karriere in der italienischen Liga gezeigt hat (Antwort: 1400). Wies anders gehen würde, zeigt zum Beispiel das Westschweizer RTS, wo der kompetente Kommentator David Lemos vom sachkundigen ehemaligen Nati-Spieler Johan Djourou unterstützt wird. Oder auch die deutschen Sender ARD und ZDF, bei denen im Jahr 2024 tatsächlich auch Frauen EM-Spiele der Männer kommentieren dürfen. Langsamer, aber immerhin: Auch das SRF bewegt sich und stellte für einen Achtelfinal eine reine (und überzeugende) Expertinnenrunde auf.

Antifaschismus

Die französischen Fussballstars, die heute gegen Spanien im Einsatz stehen, stellen sich dem Rechtsextremismus entgegen. Nachdem Weltstar Kylian Mbappé bereits vor den Wahlen vor der extremen Rechten gewarnt hatte, feierten diverse Spieler den Wahlsieg des Linksbündnisses: «Herzlichen Glückwunsch an alle Franzosen, die sich dafür eingesetzt haben, dass dieses schöne Land nicht von der extremen Rechten regiert wird», schrieb Verteidiger Jules Koundé auf X. Der Real-Madrid-Spieler Aurélien Tchouaméni sprach von einem «Sieg des Volkes». Auch der österreichische Nationaltrainer Ralf Rangnik weiss um die Gefahr von rechts und sagte: Wer nach den letzten hundert Jahren «immer noch nicht verstanden hat, was uns regelmässig ins Verderben geführt hat, dem kann man wirklich nicht helfen».

Massenüberwachung

Wer ein EM-Spiel besuchen will, braucht die Ticket-App der Uefa und wird damit überwacht. Stolz präsentierte die Leiterin des Lagezentrums München im Bayerischen Rundfunk auf einer Karte, wo sich die Ticketbesitzer:innen gerade aufhalten. Das überraschende Fazit: Viele Fans sind in der Innenstadt oder fahren mit der U-Bahn in Richtung Stadion.

15-Uhr-Spiele

Hach, wie schön ist Arbeitszeitveruntreuung! Und selten ist diese so akzeptiert wie während der EM. Besonders geeignet für Einsteiger:innen, die gefrustet sind, dass trotz der massiven Effizienzgewinne in den letzten Jahrzehnten noch immer mindestens die Vierzigstundenwoche gilt, waren die vier wochentags ausgetragenen 15-Uhr-Spiele in der Gruppenphase. Wer sich neunzig Minuten lang angeschaut hat, wie Slowenien und Serbien 1 : 1 spielten, war vielleicht nicht perfekt unterhalten, aber immerhin bezahlt dafür!