Gefälschte Unterschriften: Die stillen Kompliz:innen

Weitergehen, hier gibts nichts zu sehen! Gestern hat der «Tages-Anzeiger» offengelegt, dass Firmen, die gegen Geld Unterschriften für Volksinitiativen sammeln, im grossen Stil betrogen haben. Heute ist es verdächtig ruhig im politischen Betrieb der Schweiz. Jedenfalls auf dessen rechter Seite. Was einen zum Schluss verleiten könnte, dass die demokratiepolitische Bedeutung der illegalen Machenschaften gar nicht so gross ist. Auf das Ergebnis einer Volksabstimmung dürfte es tatsächlich kaum Einfluss haben, auf welche Weise eine Initiative zustande gekommen ist.

Aber das ist zu kurz gedacht. Das zeigt etwa die Debatte rund um den Neubau von AKWs. Schub verlieh dieser die sogenannte Blackout-Initiative. Albert Rösti hat den Ball dankbar aufgenommen und gemeinsam mit der bürgerlichen Mehrheit im Bundesrat einen Gegenvorschlag präsentiert, der das Verbot von AKW-Neubauten aufheben will. Wäre die Initiative nicht zustande gekommen, wäre es auch nicht zu Röstis Manöver gekommen.

Darum bleibt es wohl auch so still auf bürgerlicher Seite. Weil das betrügerische System den rechten Parteien – und einigen Tierrechts- und Umweltorganisationen – jahrelang von grossem Nutzen war. Sie konnten mit Geld erkaufen, wozu ihnen die Basis fehlte. Und so erreichen, dass über ihr Anliegen breit diskutiert und abgestimmt wird. Die Unstimmigkeiten sind ihnen in all diesen Jahren offenbar nie aufgefallen – anders als den Verantwortlichen der Service-Citoyen-Initiative, die die «Tages-Anzeiger»-Recherche angestossen haben.

Das System der kommerziellen Unterschriftensammlung gehört sofort gestoppt. Dass das nicht längst geschehen ist, obwohl der Bund gemäss den Recherchen seit Jahren über die Unstimmigkeiten Bescheid weiss, ist ein weiterer Skandal. Der Bundesrat wurde gemäss Informationen der WOZ vor einem Jahr von der Bundeskanzlei detailliert über die Vorkommnisse informiert – und hat nicht eingegriffen. Aber auch die Bundeskanzlei hätte mehr tun müssen. Sie hat zwar 2022 eine Strafanzeige eingereicht, aber Parlament und Öffentlichkeit nie ins Bild gesetzt. Es mögen einzelne Firmen gewesen sein, die den Betrug begangen haben. Doch stille Kompliz:innen gibt es viele.