Schlechte Nachrichten für Elon Musk sind definitionsgemäss gute Nachrichten für den Rest der Menschheit, deswegen ist die jüngst verhängte X-Sperre in Brasilien nur zu begrüssen. Für die Plattform, die vor dem Erwerb durch den Milliardär Twitter hiess und seither einen fortlaufenden Verfaulungsprozess durchlebt, ist der Entscheid des brasilianischen obersten Gerichtshofs zweifellos ein herber Schlag: Zuletzt zählte X dort über zwanzig Millionen Nutzer:innen, Brasilien ist – oder eben war – damit der sechstgrösste Markt für den Kurznachrichtendienst.
Grund für die Sperre ist die Weigerung Musks, auf richterliche Anordnung eine Handvoll Konten zu sperren, die auf X Falschmeldungen verbreiteten, um gegen die Regierung unter Präsident Lula da Silva Stimmung zu machen. Die brasilianische Justiz nimmt also die an sich ja nicht so dumme Idee, soziale Medien ordentlich zu regulieren, offenbar ernst.
Wenig überraschend sieht Musk das anders, er tobt auf seiner Plattform gegen die vermeintliche richterliche «Zensur». Der US-Oligarch begreift sich selbst als «Meinungsfreiheitsabsolutist», auch wenn gut dokumentiert ist, dass X zigfach tatsächliche Zensurwünsche erfüllte, sobald diese von autoritären Regierungen kamen. Wenn dagegen, wie zuletzt im Fall des Vereinigten Königreichs, rassistische Accounts den rechten Mob auf der Strasse anheizen, sind dem Boss die Lügen, die über seinen Dienst verbreitet werden, nicht nur egal, sondern er hetzt gleich selbst mit.
Wegen Letzterem hatte der EU-Kommissar Thierry Breton Musk scharf gerügt, woraufhin dieser den Politiker vulgär beleidigte. Nun zeigt ihm die brasilianische Justiz die Zähne. Zugleich läuft in Frankreich ein Verfahren gegen Telegram-Chef Pawel Durow, ebenfalls wegen unzureichender Moderation der auf seinem Dienst geteilten Inhalte (unter anderem Kinderpornografie). Vielleicht ja nicht der schlechteste Trend, wenn sich der liberale Rechtsstaat nicht länger von superreichen Techbros vorführen lässt.
PS: Laut AP klagen einige Brasilianer:innen bereits, nichts mehr von der Welt mitzubekommen. Pro-Tipp: Warum nicht wieder mal Zeitung lesen?