Die deutschen Grünen haben sich am Wochenende zum Parteitag getroffen, um sich frische Gesichter an die Spitze zu wählen, und die gute Nachricht lautet: Zumindest eins davon kommt vom linken Parteiflügel. Die schlechte: Auch sein Ruf als Parteilinker hinderte den neuen Kovorsitzenden Felix Banaszak nicht daran, beim Interview mitzuteilen, dass für ihn beim Thema Migration «maximale Differenzierung» angesagt sei. Eine Differenzierung nämlich zwischen denen, die das «Recht, das ihnen hier gegeben wird, verwirken» – vulgo: «kriminelle Ausländer» –, und jenen mit «Potenzial», die «uns noch sehr wichtig sein werden, wenn wir wollen, dass unsere Eltern demnächst noch in den Heimen gepflegt werden». Eine Partei, in der solche Positionen als links gelten, ist wohl weniger die Lösung als eher Teil des Problems.
Neben der Wahl von Banaszak in die Parteiführung (zusammen mit Franziska Brantner) ging es aber vor allem um die Kür Robert Habecks – derzeit noch amtierender Wirtschaftsminister in der glücklicherweise endlich zerbrochenen Ampelkoalition – zum grünen Kanzlerkandidaten: Ende Februar steht in Deutschland wieder mal eine Bundestagswahl an. «Komm ins Team Robert!» war entsprechend in der Halle im hessischen Wiesbaden zu lesen. Wobei die offizielle Sprachregelung der Grünen nicht eine Kanzlerkandidatur vorsieht, vielmehr soll Habeck «Kandidat für die Menschen in Deutschland» sein – eine Formulierung, die gut die aufdringlich zugewandte Art eines Politikers einfängt, der wohl noch die grössten politischen Grausamkeiten mit einfühlsamem Blick und in geschliffenem Sozialarbeiterjargon wegrechtfertigen könnte.
Nicht von ungefähr verteilten Aktivist:innen der Seenotrettungsorganisation Sea-Eye auf dem Grünen-Parteitag ein fiktives Schmerzmittel namens «Compromol», das bei «Bauchschmerzen» und «Haltungsschäden jeglicher Art» helfen soll.
In Umfragen liegen die deutschen Grünen derzeit bei elf Prozent: Bei solchen Zahlen wäre es tatsächlich vermessen, würde man ernsthaft mit dem Anspruch in den Wahlkampf ziehen, den Kanzler zu stellen. Andererseits hatten es auch die Prognosen vor der letzten Bundestagswahl lange kaum möglich erscheinen lassen, dass am Ende Olaf Scholz (SPD) das Kanzleramt beziehen würde. Noch ist also alles drin für Robert Habeck. Ob es allerdings wirklich eine «linke» Partei braucht, die sich nicht mal dazu durchringen kann, einen Antrag der eigenen Nachwuchsorganisation zur Abschaffung der unseligen Schuldenbremse anzunehmen, steht auf einem anderen Blatt.