«Justice sexiste, justice classiste», schreien die rund dreissig Aktivist:innen vor dem Bundesgericht in Lausanne. Gerade haben die fünf Richter:innen einstimmig beschlossen, die Beschwerde von den Grünen und den SP-Frauen abzulehnen. Diese hatten verlangt, dass die Erhöhung des Frauenrentenalters von 64 auf 65 Jahre aufgehoben wird. Denn im August war bekannt geworden, dass zwei fehlerhafte Formeln im Bundesamt für Sozialversicherungen zu Fehlern bei der Prognose zu den AHV-Finanzen geführt hatten. Die falsche Berechnung stand so auch im Abstimmungsbüchlein des Bundes.
Wie dramatisch diese Abweichung von sechs Prozent des Gesamtbetrags nun ist, diskutierte das Gericht ausführlich. Während die zwei Richterinnen bemerkten, dass die Fehlleistung der Behörden gravierend gewesen sei, verharmlosten zwei der Richter die Situation stark. Einer von ihnen sagte, dass es sich bei einer solchen Prognose nicht um eine Information handle, die exklusiv dem Bund vorliege, und die Gegner:innen die Berechnungen auch in Zweifel hätten ziehen können.
Gerichtspräsident Lorenz Kneubühler ermahnte in seinen Ausführungen zwar seine Kollegen, die Fehler des Bundesamts nicht zu bagatellisieren – und betonte, man müsse den Behördenangaben vertrauen können. Trotzdem lehnte auch er die Beschwerde ab. Die AHV-Vorlage zur Rentenaltererhöhung sei nun einmal untrennbar mit der Mehrwertsteuererhöhung verknüpft, die bereits Anfang Jahr in Kraft getreten sei. Diese Erhöhung rückgängig zu machen, sei sowohl unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit als auch von den Folgen eines solchen Entscheids her nicht sinnvoll. Auch der damalige extrem knappe Abstimmungsentscheid – die Vorlage wurde 2022 mit 50,55 Prozent der Stimmen angenommen – änderte nichts an der einstimmigen Ablehnung der Beschwerde.
Den Frauen sei mit falschen Zahlen ein Jahr ihrer Rentenzeit geklaut worden – ohne dass sie dafür mehr Gleichstellung bekommen hätten, erklärten SP-Nationalrätin Tamara Funiciello und Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone anschliessend vor dem Bundesgericht. «Dieser Fehler muss nun Konsequenzen haben», so Funiciello. Denn nach wie vor erhielten Frauen im Schnitt ein Drittel weniger Rente als Männer. Nun brauche es dringend Massnahmen: Care-Arbeit gehöre in der zweiten Säule anerkannt, die Kinderbetreuung müsse günstiger werden und Teilzeitarbeit besser versichert. Mazzone fuhr fort, dass die Fehler kleingeredet worden seien. «Die falschen Berechnungen wurden vom Gericht heute banalisiert. Und warum? Weil es die Frauen betrifft.»