Dienstverweigerung: Rückkehr der Gewissensprüfung?

Ich werde die Verachtung nie verstehen, die bürgerliche Politiker:innen jenen jungen Männern entgegenbringen, die sich dafür entscheiden, in den Zivildienst zu gehen. Die kein medizinisches Leiden geltend machen wie Roger Federer, um nicht ins Militär zu müssen. Sondern 390 wertvolle Tage ihres Lebens aufbringen, um auf Altenstationen Bettlaken zu wechseln oder Trockenmauern im Wallis anzulegen. Eine gesellschaftlich betrachtet rundherum sinnvolle Sache.

Diese Verachtung ist deutlich herauszulesen aus den neusten Vorschlägen zum Zivildienst aus dem Parlament. Endlich konnten bürgerliche Politiker:innen wieder über die Drückeberger und Warmduscher schimpfen – über die «Abschleicher», wie es jeweils in den Wortprotokollen des Parlaments heisst. Die sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats will vom Bundesrat, das hat sie gestern so mitgeteilt, dass dieser die Wiedereinführung der Gewissensprüfung prüft, die bestehen muss, wer in den Zivildienst will.

Ich erinnere mich vage an meine eigene Gewissensprüfung vor über zwanzig Jahren. Eine Art Tribunal in einem Saal in Thun. Von allen Seiten kamen Fragen, um die Herleitung meiner Gewissensbisse zu erkunden. Ich erzählte vor allem von Büchern, die ich gelesen hatte, «Im Westen nichts Neues» und Ähnliches. In Erinnerung geblieben ist mir die Schlussfrage: Ob ich auch einfach friedlich zuschauen würde, wenn jemand im Ausgang meine Freundin angreifen würde. Ich hab gar keine Freundin, antwortete ich. 2009 wurde die Gewissensprüfung abgeschafft.

Die Gewissensprüfung brauche es, um die Hürden für den Zivildienst zu erhöhen, wird argumentiert. Damit genügend junge Männer in der Armee bleiben. Rund 7000 Personen entscheiden sich jährlich für den Zivildienst. «Doch die Armee konnte bis heute nicht aufzeigen, dass es diesen Bedarf überhaupt gibt», sagt Priska Seiler Graf, Sicherheitspolitikerin von der SP. Sie habe schon x-mal nachgefragt. Tatsächlich weist die Armee seit Jahren einen Überbestand an Soldat:innen aus – was gesetzwidrig ist. 

Der Aufstand der Sicherheitskommission erfolgt als Reaktion auf eine Mitteilung des Bundesrats von vergangener Woche, in der dieser Pläne für eine sehr teure, aufgeblasene neue «Sicherheitsdienstpflicht» mitsamt der Vereinigung von Zivilschutz und Zivildienst auf die lange Bank schiebt. Wütend verlangt die Kommissionsmehrheit, dieser Sicherheitsdienst müsse nun trotzdem so schnell wie möglich realisiert werden. Und eben, als kleine Gemeinheit: Die Gewissensprüfung soll zurück.

Viel angemessener wäre es sowieso, all jene einer Gewissensprüfung zu unterziehen, die sich für den Eintritt in die Armee entscheiden. Dass tödliche Waffen in die Hände von jungen Männern geraten, die sich als gewissenlos erweisen könnten, scheint doch sehr riskant.