Friedrich Merz: Zusammen, aber nicht zusammen
Es ist ein bemerkenswerter Schnellkurs in Dialektik: Nachdem der CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz vergangene Woche die Unterstützung der AfD in Kauf genommen hatte, unterstrich er am Montag besonders wortreich, nicht mit der AfD zusammenarbeiten zu wollen: «Es gibt keine Zusammenarbeit, es gibt keine Duldung, es gibt keine Minderheitsregierung, gar nichts», sagte Merz beim Parteitag in Berlin. Er redete kaum über Migration, sondern vielmehr über die Wirtschaft, die letzten Wochen der Weimarer Republik und sogar über das Klima. Am Ende wurde Merz’ «Sofortplan», der auch seine Vorstellungen zur Migrationspolitik inklusive Einreiseverbot, Grenzkontrollen und Ausreisehaft enthält, von der Partei mit breiter Zustimmung angenommen. Mit diesem Sofortplan will Merz, falls er bei den Bundestagswahlen am 23. Februar siegt, eine «Asylwende» einleiten.
In den vergangenen Jahren hatte der CDU-Spitzenpolitiker immer wieder betont, dass die Union weder auf kommunaler noch auf Bundesebene mit der AfD kooperieren werde. «Eine Zusammenarbeit mit einer solchen Partei, die rechtsradikale Neonazis in ihren Reihen nicht nur duldet, sondern aktiv fördert, kommt für die Christlich-Demokratische Union nicht infrage», sagte er etwa im Dezember 2019. Doch wer die Karriere von Merz und dessen langjährigen Konkurrenzkampf mit seiner Intimfeindin Angela Merkel beobachtet hat, konnte ihm seinen Schwur auf die sogenannte Brandmauer gegen Rechtsaussen nie abnehmen.
Populistische Aussagen zur Migration und die Forderung nach harten Massnahmen ziehen sich wie ein roter Faden durch seine politische Biografie. Dass Merz am Mittwoch nur mit den Stimmen der AfD seine rechtlich folgenlos bleibende Aufforderung an das Parlament zur Verschärfung der Migrationspolitik durch das Parlament brachte, war ein logischer Schritt. Zwar scheiterte der dazugehörige Gesetzesentwurf am Freitag trotz der Zustimmung der AfD, weil ein paar Stimmen von FDP und Union fehlten – doch der Tabubruch war geschehen.
Während ein Grossteil der Medien seine Strategie als «Totalversagen» und «beschämend» bezeichnet, sehen seine Unterstützer:innen das genaue Gegenteil: einen konservativen Hardliner, der seine Sache durchzieht, dem «Mehrheitswillen» folgt und die Themen in Angriff nimmt, die die Leute zur Wahlurne locken könnten: Migration und Wirtschaft.
Eines hat der Kanzlerkandidat der Union in den vergangenen Tagen bewiesen: Friedrich Merz versteht es zu polarisieren. Sein Wahlkampf getreu dem Motto «Die Migration ist die Mutter aller Probleme» hat ihm laut der jüngsten Umfrage jedenfalls nicht geschadet. Zwar mögen Hunderttausende gegen seinen Kurs auf die Strassen gehen, doch die Union kommt laut einer von der «Bild»-Zeitung in Auftrag gegebenen Befragung unverändert auf 30 Prozent. Die AfD bleibt mit 22 Prozent zweitstärkste Kraft. Laut ARD-Deutschlandtrend befürworten 57 Prozent der Befragten den Vorstoss von Merz bezüglich Zurückweisungen von Geflüchteten an Deutschlands Grenzen.