Deutschland: Das Nein der Grünen
Die Bundestagswahlen sind erst eineinhalb Wochen her, und schon gibt es mehrere politische Pirouetten: Am Dienstag vergangener Woche einigten sich Union und SPD bei ihren Sondierungsgesprächen auf einen Plan, um die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse zu lockern und ein schuldenfinanziertes Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für Infrastrukturinvestitionen einzurichten.
Dabei hatte die Union bis dahin an der Schuldenbremse festgehalten und während des Wahlkampfs gepredigt, die dringend benötigten Investitionen in die Infrastruktur könnten aus dem bestehenden Haushalt mit Kürzungen etwa beim Bürgergeld finanziert werden. Begründet wurde der plötzliche Kurswechsel mit einer neuen geopolitischen Krisensituation: Donald Trumps Seitenwechsel zu Wladimir Putin liess CDU-Chef Friedrich Merz das Sondervermögen entdecken.
Für die Durchsetzung des Pakets sind Merz und SPD-Chef Lars Klingbeil aber auf die Stimmen der Grünen angewiesen – es braucht eine Zweidrittelmehrheit dafür im Parlament. Die Grünen haben das Vorhaben in dieser Form nun am Montag abgelehnt. Es sei eine «Schatzkiste mit Spielgeld», sagte Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge. Ohne das Finanzpaket würden der Union und der SPD aber die finanziellen Grundlagen ihrer Verhandlungen und damit auch für die ab Donnerstag geplanten Koalitionsgespräche fehlen.
Zuvor hatte Merz im Wahlkampf die Grünen monatelang beschimpft, diese seien unzurechnungsfähig, linke Spinner, eine Koalition sei ganz und gar ausgeschlossen. Nun zeigt er sich nach deren Nein wieder diplomatischer. «Vieles von dem, was wir vorschlagen, um nicht zu sagen fast alles, wurde von den Grünen schon einmal vorgetragen», sagte er gestern, nachdem die Grünen ihn hatten auflaufen lassen. Er will halt unbedingt Kanzler werden – egal welche Drehungen es dazu braucht.
Die Grünen können es sich zwar nicht leisten, sich gegen die Reformen zu stellen, denn auch sie fordern einen Neustart für Europas grösste Volkswirtschaft. Die Herausforderungen sind zahlreich: Überregulierung, marode Infrastruktur, hohe Energiekosten, chronischer Fachkräftemangel und eine alternde Bevölkerung. Aber die Grünen müssen es nicht hinnehmen, arrogant abgewertet zu werden und dann als Steigbügelhalter:innen für ein rechtlich nicht bindendes Sondierungspapier herzuhalten, in dem das Wort «Klima» nicht einmal vorkommt und Klientelpolitik gemacht wird.
Den Grünen ist nicht vorzuwerfen, dass sie jetzt erst einmal Nein sagen und sich nicht dafür einspannen lassen, einfach mal rasch das Grundgesetz zu ändern für den Kurs einer Koalition, der sie von der Oppositionsbank aus zuschauen dürfen.