Frauen bodigen Ritter

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Schadenfreude – vielleicht beschreibt das die Befindlichkeit auf linker Seite nach der Bundesratswahl ganz gut: Einer der vielleicht rücksichtslosesten rechten Politiker:innen im Bundeshaus ist kläglich gescheitert. «Man sollte die Linke und die Frauen nicht unterschätzen», sagt die Berner SP-Nationalrätin Tamara Funiciello amüsiert, während sie am Wahlapéro im Bundeshaus in eine Wurst beisst.

Einige zufriedene linke Vertreter:innen, viele gleichgültige und eine recht konsternierte waren nach dem Triumph des Zuger Mitte-Regierungsrats Martin Pfister und der Nichtwahl von Bauernverbandspräsident Markus Ritter im Bundeshaus auszumachen. Dort wirkte nicht nur Ritter ziemlich einsam, sondern auch SP-Nationalrätin Jacqueline Badran. Eine «High-Risk-Strategie» ihrer Partei sei es, auf Pfister zu setzen, findet Badran. Vor allem wegen dessen Wirtschaftspolitik mit Zuger Prägung: «Das ist der Mann des Kapitals, der Oligarchen und der Superreichen.» Ritter dagegen sei ein Politiker, der die kleinen Leute im Blick habe, skeptisch eingestellt gegenüber dem Grosskapital sei, sagt Badran. Allerdings hat Ritter in den letzten Wochen keine Gelegenheit ausgelassen, ein neoliberales Programm herunterzubeten: tiefe Steuern, Geld für die eigene Klientel – kleiner Staat für alle anderen.

Badran hält ihn dennoch für zugänglich für linke Perspektiven. Sie zählt auf: Service public, OECD-Steuer, Eigenmietwert, Investitionsschutz – da könne man gut zusammenarbeiten. «Und Ritter ist in der Lage, für gute Vorlagen Mehrheiten zu beschaffen.» Pfister dagegen sei sich nur eine Politik aus der Hegemonie der Zuger Bürgerlichen heraus gewohnt. «Der weiss gar nicht, wie die Bundespolitik funktioniert, in der es überall Demarkationslinien hat.» Ihre Prognose: Pfister geht im Mahlstrom der FDP-Finanzdirektorin Karin Keller-Sutter unter und verstärkt deren Austeritätspolitik. Und ob er die Sanktionspolitik gegen russische Oligarchen und deren Firmen in Zug mittrage, sei fraglich.

Jacqueline Badran steht mit ihrer Haltung allerdings ziemlich alleine da. Grüne und SP stimmten wohl fast geschlossen gegen Ritter und für Pfister. Vorherrschende Einschätzung: Der fleissige und erzkonservative Bauer Markus Ritter hätte in Machtstellung einen gewaltigen Flurschaden anrichten können. Schon den vermeintlich gmögigen SVP-Antiumweltminister Albert Rösti habe man unterschätzt, heisst es – ein Fehler, der sich nicht habe wiederholen dürfen.

Aline Trede, Fraktionschefin der Grünen, ist eines der zufriedenen Gesichter an diesem Wahltag. «Mit Pfister ist der Rückschritt weniger gross als mit Ritter», sagt sie. Bei gesellschaftspolitischen Themen wie der Ehe für alle sei er progressiv eingestellt, auch zur Energiewende und zur Öffnung gegenüber Europa stehe er. Er sei für die Grünen der verlässlichere Partner in einer unverlässlichen Regierung. Aber die Erwartungen an ihn sind gering. «Wir werden ihn eng begleiten müssen», sagt Trede. Von Markus Ritter dagegen sei gar kein Entgegengekommen zu spüren gewesen im Austausch mit den Grünen – sondern bloss zur Schau gestellte Arroganz: «Vor dem Hearing gab es bei uns noch ein paar Sympathien für ihn. Nach dem Hearing wohl praktisch keine mehr.»

Einen für die eigenen Chancen verhängnisvollen Auftritt soll Ritter auch bei Alliance F hingelegt haben, dem bürgerlichen Frauendachverband. So soll er sich an deren Hearing ein Wortgefecht mit der Vorstandsfrau, FDP-Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher, geliefert haben, statt einfach einmal zuzuhören. Viele bürgerliche Frauen, so ist eine andere linke Lesart dieser Wahl, hätten Ritter die Wahl verweigert.

Tamara Funiciello kann der Wahl von Pfister wenig abgewinnen. «Es ist ein Rechtsrutsch, geschlechterpolitisch, in der Finanzpolitik», sagt sie. Schon jetzt gebe es eine Genderkomponente in der Sparpolitik, die werde sich mit Pfister verstärken: «Die Frauen werden verlieren.» Doch Funiciello setzt den neuen Mitte-Bundesrat vor allem in Beziehung zur abgetretenen Viola Amherd. Markus Ritter hält sie für das noch grössere Übel. Sie sei nicht schadenfreudig, sondern besorgt, sagt Funiciello. Aber sie gibt sich kämpferisch: «Wir Linken müssen in den kommenden Jahren im Parlament und ausserhalb verhindern, dass das Land von den konservativen Kräften in Trümmer gelegt wird.»