Der rechte Weg zur Erleuchtung
Er ist Rohkostler, Blogger, Reichsbürger und selbsternannter Heiler: Der Frankfurter David betreibt als «Mister Raw» ein lukratives Onlinegeschäft mit «alternativen» Therapieprodukten und einem privaten Arbeitsintegrationsprojekt. Er führt junge Leute mit psychischen Problemen «ins Licht», versorgt sie in seinem Rohkostrestaurant mit frischen Wildkräutersäften und Aminosäuren, gibt ihnen ein Dach über dem Kopf, einen geregelten Tagesablauf und mentalen Halt. So sieht er das zumindest selbst.
Sein neuster «Patient» ist Timo. Ausgemergelt und mit leerem Blick erledigt er kleinere und grössere Arbeiten im Haus und wird dafür mit Zuspruch belohnt. Er sei vielen hier ein Vorbild, «sauber, ordentlich, korrekt, sanftmütig», muntert David ihn in einer Art «therapeutischer» Standortbestimmung auf. Nur sein Arbeitstempo müsse er noch «optimieren», sagt er in «Soldaten des Lichts», dem neuen Dokumentarfilm von Johannes Büttner und Julian Vogel.
Die beiden Regisseure kennen sich seit ihrer Jugend im Umfeld der Antifa in Frankfurt am Main. Was sie damals wollten – «den Staat herausfordern» –, würden heute praktisch nur noch Rechte versuchen, und das «oft auch noch mit ehemals linken Strategien», erklären sie im Gespräch nach der Premiere an den Visions du Réel in Nyon. Vogel schliesst mit dem Film an seine Trilogie «Einzeltäter» an. Darin untersuchte er die strukturellen Zusammenhänge zwischen den rechtsextremen Anschlägen in München (2016), Halle (2019) und Hanau (2020), wobei er bei den Tätern auf gemeinsame Verschwörungsideologien stiess. «Wie konnten sich diese so schnell verbreiten? Und wie konnten sie so unterschiedliche Kreise – Rechtslibertäre, Neonazis, Reichsbürger, Verschwörungstheoretikerinnen und Esoteriker – miteinander vernetzen und dabei auch ehemalige Linke mobilisieren?» Diese Fragen standen am Anfang der Recherche für «Soldaten des Lichts».
David, ein ehemaliger Schulkamerad von Büttner, lieferte Antworten. Er glaubt an alles, was ihm überzeugend vermittelt wird: die heilsame Wirkung von Rohkost, Spontanheilung, satanische Geheimbünde, die Erde als Scheibe, das kommende Königreich Deutschland (KRD) und die von Geistheilern verkündete «Endzeit» – und seine Einsichten verbreitet er übersprudelnd lächelnd weiter. Seit er sich als «Schöpfer» verstehe, sei er immun gegen die früher erfahrene Diskriminierung (er ist Schwarz), gesteht er im einzigen direkten Gespräch mit den Filmemachern. Dass es ihm dabei vor allem auch ums Geschäft geht, gibt er offen zu. Nur wer erfolgreich sei, habe Recht: «Hast du Sixpack? Hast du Geld? Hast du Freunde?» Dann stimmt auch dein Weltbild.
«Soldaten des Lichts» zeigt es so deutlich, dass einem manchmal fast übel wird dabei: Im Kern des rechten Mobilisierungserfolgs der letzten Jahre steht das neoliberale Glücksversprechen. «Finanzielle Intelligenz» nennt das der Kryptoblogger, bei dem David nach rechtlichen Problemen mit seinem Therapiegeschäft am Ende des Films landet.
Direkt etwas gegen diese Bewegung ausrichten wird ihr Film nicht, da machen sich Büttner und Vogel nichts vor. Ihnen gehe es darum, deren Wurzeln offenzulegen – und die lägen mitten in der sogenannten Mehrheitsgesellschaft.