Fünf Tage ohne Handy
«Ich bin auf jeden Fall handysüchtig», erklärt die Teenagerin umstandslos in die Kamera. Im Experiment der «Rundschau» haben rund vierzig Menschen einer Berner Siedlung freiwillig ihr Handy abgegeben, ein SRF-Team hat sie während dieser fünf Tage begleitet. Dass fast alle bereits im Vorfeld finden, sie würden zu viel Zeit am Smartphone verbringen? Geschenkt. Der Beitrag stellt sich aber auch in den Kontext der aktuellen Debatte um ein Handyverbot an Schulen. Und da tut sich einiges. In den Kantonen Aargau, Nidwalden und Wallis wird das Handy nach den Sommerferien an den Volksschulen aus Klassenzimmern und von Pausenplätzen verbannt.
An Schulen, wo dies seit längerem praktiziert wird, sind die Erfahrungen so deutlich wie eindeutig: Die Kinder und Jugendlichen arbeiten konzentrierter, sind entspannter und sozial viel interaktiver. Schulleitungen und Lehrer:innen begrüssen kantonal einheitliche Richtlinien, jüngste Umfragen zeigen, dass vier von fünf Erwachsenen ein Handyverbot an Schulen unterstützen. Wo Kritik geäussert wird, bezieht sie sich vor allem auf das generelle Verbot und die damit einhergehende Verurteilung von Smartphones. Denn Tatsache ist eben auch: Die Geräte sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Das «Rundschau»-Experiment führt es rasch vor Augen. Der Wecker fehlt, der Terminkalender, das Login für den Arbeitsplatz, man braucht wieder Bargeld für das ÖV-Ticket am Automaten.
Entlarvend ist aber auch, für wen das fehlende Handy vor allem Stress bedeutet: Es sind in erster Linie die Erwachsenen. Der eine findet ohne Navi den Ort des nächsten Termins nicht, die andere weiss am freien Tag nichts mit sich anzufangen. Nur einer hört plötzlich die Vögel wieder, fühlt sich präsenter in seinem Körper – im Gespräch mit der Partnerin zeigt sich indes: Die Erleichterung rührt auch daher, dass die ewigen Diskussionen um Handy und Bildschirmzeit mit der Tochter plötzlich hinfällig sind.
Und die bekennend handysüchtige Teenagerin, bei der aus fünf Tiktok-Videos so schnell hundert werden? Gibt sich zum Schluss ganz entspannt, sagt, sie hätte es schon so oft versucht, aber diesmal würde sie die App definitiv löschen. Ähnlich der Dreizehnjährige, der findet, im Nachhinein sei das tägliche Versenden von Bildern und Videos, um sein «Flämmchen» auf Snapchat nicht zu verlieren, doch eher lästige Pflicht.
Experiment gelungen. Und ein Hinweis darauf, dass Forderungen nach einem Verbot von Social Media für alle unter sechzehn Jahren vielleicht nicht der beste Weg sind, um Kinder und Jugendliche vor Gefahren zu schützen, die im Handy lauern. Durchaus sinnvoll für ihre Entwicklung wäre hingegen, wenn die Schule in dieser Hinsicht zum Offlinebereich erklärt würde.