Die taumelnde Welt
«Was sind das für Zeiten, wo ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist, weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschliesst!» Seit den 1930er Jahren, als Bertolt Brecht im Exil in Svendborg diese berühmten Zeilen gegen arglose Naturdichtung verfasste, haben wir dazugelernt, wie wichtig Bäume für unser Leben sind – und auch, wie viel Schaden wir nicht nur den Mitmenschen, sondern auch unserer Umwelt antun können.
Und doch bleibt Brechts Dilemma angesichts «finsterer Zeiten» bestehen. Wenn die Welt akut brennt – in Gaza, im Iran, in der Ukraine –, rutscht die chronische Klimaerwärmung in den Hintergrund. Während Präsident Trump mit Bunkerbrecherbomben spielt wie ein Kind mit bunten Murmeln, wie kann ich da meinen besonnenen Vermonter Kollegen, den Klimaaktivisten Bill McKibben, vorstellen, der mit «Das Ende der Natur» 1989 eines der ersten populären Bücher über die Klimaerwärmung verfasste? Ist es schon fast ein Verbrechen, wenn ich erwähne, dass Biolog:innen 2014 eine Waldgrasmücke nach dem Umweltschützer benannt haben? Mit der Megophthalmidia mckibbeni wird ein Naturfreund in der zoologischen Datenbank durch ein unscheinbares Tierchen repräsentiert, das den Wert aller Spezies hervorhebt.
Wie eine winzige Mücke kommt man sich zurzeit tatsächlich vor, wenn man sorgfältig Abfälle trennt, kompostiert, lokal einkauft, Heizung und Isolation im Haus optimiert, sich zu Fahrgemeinschaften zusammentut, Secondhandklamotten kauft, Naturschutzeinsätze leistet. Und dann kommt Brooke Rollins, die Landwirtschaftsministerin der grössten Wirtschaft der Welt, und sagt, ganz Stimme ihres Herrn: «Wir machen diesen ganzen Klimawandelmist nicht mehr mit.»
Tatsächlich hat die Maga-Regierung nicht bloss die klimafreundlichen Massnahmen der Biden-Regierung rückgängig gemacht, sie hört ganz einfach auf, die Klimarealität wahrzunehmen. Ökologische Kosten werden bei staatlichen Projekten nicht mehr berechnet und aufgeführt. Treibhausgase werden nach fünfzehn Jahren wissenschaftlicher Dokumentation nicht mehr gemessen. In der grössten Exportnation von fossilen Brennstoffen wird deren Förderung nicht mehr überwacht. Die Umweltschutzbehörde EPA überlegt zudem eine Aufhebung des Asbestverbots.
Wo man hinschaut, werden «grüne» Arbeitsplätze und entsprechende Budgets gestrichen: bei der Wetterbeobachtung, beim Unterhalt der grossen Nationalparks, bei der Katastrophenhilfe Fema und bei der erneuerbaren Energie. Geld ausgeben will die neue Regierung hingegen für den verstärkten Wiederabbau von Erdöl, Erdgas, Kohle – auch in Naturschutzgebieten. Sogar Goldminen sind wieder im Gespräch, ein Bergbau, der bekanntlich Landschaft, Wasser, Fische und Menschen mit dem Nervengift Quecksilber verseucht. Warum das alles? Präsident Trump ist ein alter Mann mit altväterischen Ideen und einem Fimmel für alles, was glänzt. In seiner Antrittsrede sagte er: «Wir werden wieder eine reiche Nation sein, und es ist das flüssige Gold unter unseren Füssen, das uns dabei helfen wird.» Mit flüssigem Gold meint er natürlich nicht das lebenswichtige und in der Klimakrise zunehmend knappere Wasser.
Noch während Trumps erster Amtszeit veröffentlichte Bill McKibben das Buch «Die taumelnde Welt. Wofür wir im 21. Jahrhundert kämpfen müssen». Jetzt, nach Trumps Wiederwahl und seiner Radikalisierung, gibt sogar der unermüdliche McKibben zu, etwas Verzweiflung sei berechtigt. Doch der Klimaaktivist ist überzeugt, dass Präsident Trump die Umstellung auf erneuerbare Energien bloss verlangsamen, aber nicht aufhalten kann. Die sogenannte Alternativenergie sei keine schöne, aber luxuriöse «Bio-Energie» mehr. Weltweit gesehen lieferten Sonne und Wind seit ein paar Jahren die billigste und potenziell demokratischste Energie. Über den Schutz von Bäumen und vom Rest der Natur werden wir allerdings weiterhin reden müssen.
An dieser Stelle lesen Sie immer freitags «Fussnoten aus dem Trumpozän» von Lotta Suter. Die Mitbegründerin sowie langjährige Redaktorin und Auslandskorrespondentin der WOZ lebt seit vielen Jahren im US-Bundesstaat Vermont. Von dieser ländlichen Peripherie aus schreibt sie bis Mitte Juli ihre Kolumne, in der sie dem Echo der Politik in Washington lauscht.