Rauchen und sich fürchten
Verliebt er sich, verliebt er sich nicht? Und was mag als Nächstes passieren? Von Athen fliegen wir nach Zürich und damit weit zurück, zu den Anfängen von Dürrst, dem Protagonisten in Simon Froehlings Roman. Ein Goldküstenkind, das sich von unten in die Stadt einzunisten versucht, sich in der Besetzer:innen-, dann der Schwulen-, dann der Künstler:innenszene wieder- und daheim findet. Aber so eine soziale Herkunft klebt ewig an einem.
Als Künstler hat Dürrst Erfolg und Zweifel, gerade Letzteres nichts Besonderes in diesem Beruf. Ausstellen, abbrechen. Sein Auf und Ab erscheint umso greller, gezeichnet von seiner Krankheit – nach Jahren und Jahren verschiedenster Psychopharmaka und Klinikaufenthalte trifft Dürrst endlich eine Ärztin, die seine Symptome korrekt deutet: bipolare Störung. Sie verschreibt ihm die richtigen Medikamente, nun kann er die Hochs und Tiefs zumindest einordnen.
Simon Froehling schöpft aus Erfahrung, der Roman lag wegen seiner eigenen Erkrankung lange im Dunkeln. «Dürrst» ist ein manchmal bodenlos trauriges Buch, wenn wir zusehen, wie alle Fäden in einem einzigen Gewirr zu Boden fallen und sich dort verlaufen, wie diese Figur probiert, bis sie nicht mehr probiert. Wie Dürrst auf dem Balkon sitzt und raucht und sich fürchtet. Und dann, irgendwann, alles wieder gross und wichtig wird. Dabei ist er immerhin nicht allein: Das Schönste am Roman sind die Freundschaften, im Gegensatz zu all den Ausflüchten nach Kairo, Edinburgh, Berlin sein einziges richtiges Daheim.
Froehling zeichnet diesen ambivalenten Protagonisten geschickt: als einen, der Therapien und haltlose Introspektion schon so lange gewohnt ist, ständig dem eigenen Denken und Verhalten auf der Spur ist – und sich doch wieder entzieht, auch den Leser:innen. Der ganze Roman in der zweiten Person Singular ist eine Erzählung an sich selbst – von falschen Fährten und Täuschungen durchzogen. Ob man sich wirklich selber finden kann, soll oder will, das wird hier radikal infrage gestellt. Ob man sich unbedingt entfliehen muss, das natürlich auch.
Der Autor liest an den Solothurner Literaturtagen am Freitag, 19. Mai 2023, um 14 Uhr und am Samstag, 20. Mai 2023, um 15.30 Uhr.

Simon Froehling: «Dürrst». Roman. Bilgerverlag. Zürich 2022. 266 Seiten. 32 Franken.