Erdogans Ende
Du da, Recep!
Letzte Woche hast du die Popsängerin Gülsen wegen «Volksverhetzung» und «Gefährdung der inneren Sicherheit» in Haft genommen. Wegen eines Witzes, den sie an einem ihrer Konzerte machte. Damit hast du mal wieder alle einzuschüchtern versucht, die sich gegen dich und deine Regierungskoalition aussprechen. Inzwischen hast du Gülsen aus der Haft entlassen und unter Hausarrest gestellt. Kann es sein, dass dich der öffentliche Druck doch ein bisschen verunsichert hat?
Linke Wortführer:innen wie Selahattin Demirtas oder Figen Yüksekdag und Menschenrechtsaktivist:innen wie Osman Kavala hast du schon vor Jahren weggesperrt, unliebsame Künstler:innen wie den Rapper Ezhel oder die Malerin Zehra Dogan versuchst du mit Verboten zu brechen, kritische Journalist:innen wie Can Dündar oder Zeynep Kuray würdest du liebend gern stummschalten. Doch diese Stimmen denken erst gar nicht daran zu schweigen. Das alles bereitet dir Sorgen, oder?
Dein Kulturministerium hat in den letzten Jahren mit einem Mordsaufwand das gesamte türkische Kino nachbearbeitet und alle Szenen, in denen geraucht, getrunken oder geflucht wird, zensiert. Diesen Sommer nun wurden unzählige Musik- und Kulturfestivals verboten. Geraucht, getrunken, geflucht, musiziert und getanzt wird in der Türkei aber nach wie vor in allen Teilen des Landes. Deine Repression: Sie will nicht so ganz fruchten, oder?
An der Abschlussfeier der Technischen Universität des Nahen Ostens in Ankara haben die Studienabgänger:innen vor den Augen des ganzen Landes erst vor drei Wochen gegen deine Politik protestiert, der Popsänger Tarkan singt in seinem Lied «Geccek», dass deine Zeit bald vorbei sei, Abspaltungen deiner Koalition haben sich mit der kemalistischen CHP verbündet und könnten dir bei den nächsten Wahlen spätestens im Juni 2023 den Rang ablaufen.
Recep, du fürchtest dich zu Recht. Die Spatzen pfeifen es in der Türkei von allen Dächern: Dein Ende naht.
Mona Molotov ist die meinungsstärkste Möwe des Landes. Sie schreibt regelmässig im «Zoo» auf woz.ch!
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