Auf den digitalen Fährten des Bundesrats

Der Auftrag steht über allem – und sei es ein selbstgewählter. Weil das für Bundesangestellte wie für Zootiere gilt, bin ich losgezogen, die neuen digitalen Lichtungen zu erkunden, die der Bundesrat in die verwachsenen sozialen Medien geschlagen hat. Bisschen tiktoken durchs Unterholz, bisschen den unzähligen früheren SRF-Kommunikator:innen nachschnüffeln, die einer nach der anderen vom Fernsehen in die Verwaltung gehüpft sind und dort frischen Content direkt vom Puls der Macht liefern. In einen «Auftrag, gute Inhalte zu posten», deutete André Simonazzi die Kritik am Social-Media-Ausbau des Bundesrats um, als die Regierung am 10. Oktober ihren Instagram-Kanal feierlich eröffnete. Und wurde der Auftrag erfüllt?

Digitaler Leitwolf im Bundesrat ist Ignazio Cassis. Der beschäftigt schon seit einer ganzen Weile eine eigene Storytellingabteilung, um sich ins richtige Licht zu rücken. Auftritt vor Jugendlichen in Bellinzona, der Minister für Italianità kommt ins Parlieren. Die Beleuchtung ging vergessen, die Kameraperspektive ist durchgehend unterwürfig. Welche Momente schwierig, welche schön seien im Leben eines Bundespräsidenten, will ein Jugendlicher wissen. Momente wie dieser seien am schönsten, sagt Ignazio Cassis nach kurzer Denkpause. «Und am schwierigsten sind andere Momente.» Prima Cassis-Content einmal mehr, wer will das toppen?

Guy Parmelin war eben in Indien. Das erfahren wir bei ihm auf Instagram. Sonst nicht viel. Sprechtext gibt es keinen, Einblender auch nicht. Im Bild Parmelin, wie er durch Hotellobbys schlurft. Wie er aus Autos aussteigt, wie er in Autos einsteigt. Wie jemand ihm einen Stuhl anbietet. Wie er seine Aktentasche abstellt. Superprima Parmelin-Content, weil viel Parmelin zu sehen ist und völlig unklar bleibt, warum eigentlich.

Der Content stimmt also, doch das Umfeld ist problematisch. Die sozialen Landschaften des Bundesrats haben ungebetene Gäste angezogen. Putin-Trolle, Querdenkerinnen, Kesb-Kritiker und Leute, die den «Bundesratten» die Kesb an den Hals wünschen, versäubern sich in den Kommentarspalten. Versöhnlich war lange nichts – bis nun diese Woche ein aufwendig produzierter Werbespot für den neuen Schweizer Pass die Bundesstudios verliess. Drohnenfahrt über den Rheinfall, ein Model, das durch den Pass führt und dabei allerlei teuer animierte Features in Bewegung versetzt. Darüber gelegt cineastische Bombastmusik, nicht so New-Age-Geklimper wie bei Parmelin.

Das Video erhält viel Zuspruch vom Publikum. Obwohl vollkommen unklar bleibt, zu welchem Zweck es überhaupt produziert wurde. Ist ja nicht so, dass man im Laden steht und sich nicht zwischen einem deutschen, einem finnischen und einem Schweizer Pass entscheiden kann. Doch wer wie ich an Passkontrollen in Flughäfen rumlungert, weiss, wie wichtig Schweizer:innen der Eindruck ist, den ihr Pass hinterlässt. Auf Twitter schreibt einer: «Der CH-Pass gibt schon was her, wenn man ihn so mit anderen vergleicht.» Hopp Schwiiz, das ist der Content, der dieses Land eint.

Präziser beobachtet keiner: Der Wolf Lonely Lurker schleicht im «Zoo» auf woz.ch jeder Fährte nach.