Verlegt oder geklaut?

Gestern pfiffen es die Spatzen von den kahlen Kronen der Stadtbäume: Skandal im Kunsthaus Zürich, schon wieder, diesmal sind zwei Gemälde spurlos verschwunden!

Bin ich heute Morgen natürlich gleich los, Spürnase voraus. Der Brandgeruch hat sich verzogen, ist ja auch schon ein halbes Jahr her, seit die Lüftung den Rauch vom Brandherd im Packraum über sämtliche Räume im alten Kunsthausbau verteilt hat. Über 700 Kunstwerke mussten darauf abgehängt und umgelagert werden. Seither werden sie wie Puzzlesteine herumgeschoben und eins nach dem andern von Russ befreit. Anfang Jahr wären die «Soldaten aus dem Lager» dran gewesen, doch da hatten sie sich bereits davongemacht. Jetzt also: Krisenstab. Das ganze Team sucht nach den Truppen.

Als hätten sie sich verlaufen. Ich gebe mich da keiner Illusion hin – die hatten ja alle auf einem A4-Blatt Platz! Und damit in jeder anständigen Damenhandtasche oder Aktenmappe. Ich verhalte mich unauffällig und wähle den Umweg über den Chipperfield-Neubau gegenüber, mein Ziel: die unterirdische Verbindungspassage. Rasch durch die riesige Halle, zwischen bunten Kinderstiefeln und Gehstöcken von Senior:innen hindurch und über die Treppe ins Untergeschoss. Kurze Schrecksekunde in der graubeigen Garderobe, als mich im Spiegel meine ausgemergelte, schwarzschattige Silhouette streift. Puh, es ist nur «Le Chien» von Alberto Giacometti. In einem unverschlossenen Schrank nebenan liegen Jacke und Handy griffbereit. Aber die Tür zur Passage in den Moser-Bau ist verriegelt.

Der Eingang am Heimplatz gegenüber steht hingegen sperrangelweit offen, es herrscht emsiges Kommen und Gehen. Trüge ich Handwerkskluft oder Anzug, schlüpfte ich wohl problemlos hinein (und wieder raus). Nachdem ich auf verwinkelten Pfaden um den Bau geschlichen bin, weiss ich auch: Es führen viele Türen in sein Inneres, schmale Fenster lassen leere Räume und freigelegte Decken erkennen, von denen Kabel hängen. Aber nirgendwo «Narzissen und andere Blumen in Glasvase auf einer Marmorplatte» – das zweite Bild, das verschollen ist, auch es passte in einen Hipsterbag. Welch Verpackung für den Gegenwert von wohl einer halben Million Franken!

Kein Wunder, musste selbst die verärgerte Seniorin drüben im Neubau vorhin ihr Täschchen in Portemonnaiegrösse im Schliessfach deponieren.
Präziser beobachtet keiner: Der Wolf Lonely Lurker schleicht im «Zoo» auf woz.ch jeder Fährte nach.