Von Menschen und Fadenwürmern

Als rational denkender Realist schätze ich die Wissenschaften. Naturwissenschaftliche Forschung – so sie denn Nützlichem dient – verfolge ich mit Neugier, und geschickt eingesetzte Ingenieurskunst erfreut mich. Werden Forschungsergebnisse allerdings als Clickbait verkürzt dargestellt, nervts mich, und wenn Unwichtiges gehypt und dafür Wichtiges ignoriert wird, könnte ich auch mal verzweifeln.

Wer sich zum Beispiel beim Zwischentitel «Diäten können das Leben verlängern» im «Tages-Anzeiger» schon als knochig-drahtige:r Hundertjährige:r durchs Leben gehen sieht, wird gleich wieder ausgebremst: «Studien an jungen Fadenwürmern und Mäusen zeigten, dass bei einer Nahrungsreduzierung die Lebensdauer messbar anstieg.» Da die durchschnittliche Lebensdauer von Nematoden vierzehn Tage beträgt und Mäuse maximal zwei Jahre leben, scheint mir der Abstand zum humanoiden Genpool zu weit, um schon jetzt grosse Hoffnung in diese Erkenntnis zu setzen. Und mit der Mitteilung «Die Pille für den Mann funktioniere bei Mäusen» ist es genauso. Bis die versprochene Pille an den männlichen Homo sapiens angepasst und dieser bereit ist, sie zu schlucken, dürfte die jetzige Generation Frauen im fruchtbaren Lebensabschnitt die Menopause längst hinter sich haben.

Wie schwer es vielen fällt, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, zeigt die weltweite Reaktion der Politik auf die Ergebnisse der Klimaforschung – und da wird es für die Menschheit wirklich gefährlich! Denn nähme man diese Erkenntnisse ernst, führe der Schreck angesichts dessen, was da auf uns zukommt, allen denk- und handlungsfähigen Wesen dermassen in die Glieder, dass endlich effiziente Massnahmen gegen die Klimaerhitzung ergriffen würden. Stattdessen wartet man voller Vertrauen auf die gütige Hand des Marktes, die es schon richten werde.

Um die Klimaziele für 2050 zu erreichen, brauche es doch eigentlich gar keinen Plan, meinte zum Beispiel die Ökonomin Monika Bütler am Montag im SRF-«Eco Talk», stellvertretend für diese Glaubensgemeinschaft. Statt immer auf die Reichen und ihren CO2-Ausstoss zu schimpfen, könne man darauf vertrauen, dass es die vielen innovativen Start-ups in der Schweiz schon schafften, so viele Neuheiten zur Erzeugung grüner Energie zu erfinden, dass der CO2-Ausstoss in 27 Jahren bei Null liege.

Bei solchen Gelegenheiten sagen die Gläubigeren unter meinen Kollegen gern: Ihr Wort in Gottes Ohr, denn auf den ist vielleicht noch mehr Verlass als auf den Markt.

Fakten, Fakten, Fakten: Der Oberleguan rückt die Dinge zurecht.