Im Herz der Finsternis

In Zug liegt alles ganz nahe beieinander. Das ist der erste Eindruck meiner Erkundung. Wie durch ein Brennglas bündeln sich die globalen Kapitalströme in der Kleinstadt und überlagern sich mit alltäglichen Beschäftigungen. So kann es vorkommen, dass man sich in die Neustadt-Einkaufspassage begibt, dort erst bei Marionnaud an einem Parfum schnuppert, dann bei Perosa eine neue Unterhose kauft und schliesslich eine Tür weiter als Solway-Mitarbeiter aus der Ferne die Niederschlagung eines Protests gegen eine Nickelmine in Guatemala beaufsichtigt. 

Solway bei Perosa, Nornickel gleich gegenüber, irgendwo in den Eingeweiden des Shoppingcenters Metalli, Eurochem im oberen Stock der Kantonalbank beim Bahnhof. Und in lockerer Gehdistanz all die anderen Firmenkonstrukte russischer Oligarchen. Der zweite Eindruck: Zug ist das Herz der Finsternis von Putins Rohstoffreich.

Den Weg durch diese Finsternis weist Jo Lang, ehemaliger Nationalrat für die Grün-Alternativen, jetzt Leitwolf auf dem zweiten Zuger Rohstoff-Rundgang. Lang führt Interessierte zu einigen der gesichtslosen Bürobauten, in denen sich bar jeder Repräsentanz die Firmensitze von Milliardenkonzernen befinden. 11'000 Russ:innen hätten sich in seinem Kanton niedergelassen, sagt Lang, eingehüllt in eine Ukrainefahne von beachtlicher Grösse. Es seien Rohstoffhändler und deren Familien, erklärt er, «nicht die Balletttänzerin und der Geigenspieler!». Lang will sich nicht Russenfeindlichkeit unterstellen lassen, wenn er mit flatterndem blau-gelbem Cape durch das Städtchen schreitet. Ein Superheld der Aufklärung in diesem Nest der Verschwiegenheit.

Jo Lang hat für den Rundgang eigens ein Transparent herstellen lassen, es zeigt den ehemaligen Glencore-Chef Ivan Glasenberg und Wladimir Putin, wie sie sich Anfang 2017 freudig die Hände schütteln. Für elf Milliarden Dollar hat Glencore zuvor Anteile des russischen Ölgiganten Rosneft gekauft und so, das zumindest glaubt Lang, Putins Herrschaft gesichert. Prall gefüllt war die Kriegskasse des Despoten, als er vor einem Jahr die Ukraine überfiel – dank der halbseidenen wirtschaftlichen Aktivitäten, die sich hinter den Briefkästen und Handelsregistereinträgen hier in Zug verbergen.

Es ist nur ein Faden, der die blutige Gegenwart mit der jüngeren Historie verbindet und von Moskau direkt nach Zug führt. Der Wohlstand des Kantons ist unzertrennlich mit dem Schicksal des Diktators im Kreml verknüpft, das wird am letzten Samstag in Zug klar. Und gäbe es die Grün-Alternativen nicht, wer würde dann dafür sorgen, dass diese Verbindungen ruchbar werden? 

Es sind abgenutzte Pfade, die auf dem Rundgang begangen werden. Vierzig Mal, sagt Nationalrätin Manuela Weichelt am Schluss, hätten die Alternativen schon vor dem Hauptsitz des Pipelinebetreibers Nordstream protestiert. Sie sagt das ohne Bitterkeit, eher mit Genugtuung. Wie jemand, der immer auf der richtigen Fährte war.
Präziser beobachtet keiner: Der Wolf Lonely Lurker schleicht im «Zoo» auf woz.ch jeder Fährte nach.