Provenienz­forschung: Neue Töne im Kunsthaus

Es weht ein frischer Wind am Heimplatz, das wissen nicht nur Wesen mit gutem Riechorgan wie ich. Dank Ann Demeester als neuer Direktorin am Kunsthaus Zürich und Philipp Hildebrand als ihrem Sidekick im Amt des Präsidenten der Kunstgesellschaft scheinen im Zürcher Kunsthaus endlich internationale Standards eingezogen zu sein. Nicht nur, was das Standortmarketing angeht, sondern eben auch bei der kritischen Auseinandersetzung mit den weniger präsentablen Seiten der Kunst. Regelmässige WOZ-Leser:innen kennen das Problem auch unter dem Namen Bührle; wobei die Sammlung des Waffenfabrikanten natürlich nicht das einzige Konvolut mit potenziell problematischen Provenienzen ist.

Heute wurde – sehr kurzfristig – zur Pressekonferenz in die Villa Tobler geladen. Der Anlass: ein neues Strategiepapier zur Provenienzforschung am Kunsthaus. Kenner:innen schätzen den öffentlich zugänglichen Garten der Jugendstilvilla mit den alten Blutbuchen, heute sass man aber in der holzgetäferten Stube. Durch die schönen farbigen Glasscheiben brach irgendwann kurz die Sonne – was durchaus auch im übertragenen Sinn zu verstehen ist.

Mit dem vorgestellten Papier verpflichtet sich das Kunsthaus Zürich zu einer «fortlaufenden, systematischen Überprüfung der Sammlungsbestände». Geklärt werden soll die Vorgeschichte von Kunstwerken, die nach der Machtergreifung Hitlers am 30. Januar 1933 in die Sammlung des Kunsthauses gelangten. Dabei gilt neu einzig der einheitliche und international anerkannte Standard «NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter»; die ältere und nur in der Schweiz angewandte Unterscheidung zwischen Raub- und Fluchtgut wird hinfällig. Explizit will man aus eigenem Antrieb Forschung betreiben und auch proaktiv auf Erb:innengemeinschaften zugehen, die Ansprüche geltend machen könnten. Die Öffentlichkeit als signifikante Geldgeberin des Kunsthauses soll dabei stets transparent informiert werden. Zu diesem Zweck wird die hausinterne Abteilung für Provenienzforschung personell aufgestockt. Um die Unabhängigkeit dieser Forschung zu wahren, sollen die Rechercheergebnisse jeweils von einer internationalen Expert:innenkommission kontrolliert werden.

Glasklar war auch die Auskunft auf die Frage, ob das Kunsthaus das Forschungsmandat des renommierten Historikers Raphael Gross zur separaten Untersuchung der Provenienzen der Sammlung Bührle begrüsse. «Absolut» unterstütze die Kunsthaus-Leitung diese aufsehenerregende Mandatierung, die ein hochkarätig zusammengesetzter runder Tisch kürzlich vorgeschlagen hatte (vgl. WOZ Nr. 10/23), sagte Hildebrand. Es war ein souveräner Auftritt der neuen Kunsthaus-Spitze. Kurz ins Stolpern kam der Kunsthaus-Präsident nur bei der Frage einer aus den Niederlanden angereisten Journalistin, die wissen wollte, ob man mit dieser Strategie den Ruf eines «kontaminierten Museums» loswerden wolle. Hildebrand reagierte – gespielt oder nicht – völlig überrascht: «Wo kommt das her?» Als ob er noch nie von Erich Kellers gleichnamigem Buch gehört hätte, das entscheidend dazu beigetragen hat, dass das Kunsthaus sich – ausgehend von der Sammlung Bührle – der Frage nach problematischen Provenienzen in seinem Bestand stellt.

Die etwas abgehobene Antwort Hildebrands, man verstehe sich vor allem als «globales Museum», wurde von Demeester elegant auf den Boden zurückgeholt. Es sei wichtig, dass es hier nicht um Image und Symbolik gehe, sondern schlicht um Verantwortlichkeit, die man wahrnehmen müsse.
Präziser beobachtet keiner: Der Wolf Lonely Lurker schleicht im «Zoo» auf woz.ch jeder Fährte nach.