NSU-Untersuchung in Hamburg: Prinzipien im Parlament

In Hamburg wird gerade ein Lehrstück in parlamentarischer Machtpolitik dargeboten, das auch für all diejenigen lehrreich ist, die nicht in Norddeutschland leben. Eine lokale Inszenierung des Bonmots, das einst Mark-Uwe Klings Känguru geprägt hat: «Der Haken an der parlamentarischen Demokratie ist, dass man beim Marsch durch die Institutionen zum Arsch durch die Institutionen wird.»

Beteiligt daran sind einerseits die grüne Abgeordnete Miriam Block, andererseits die Hamburger Grünen, die in der Hansestadt mit der SPD koalieren, um «Hamburgs Zukunft kraftvoll zu gestalten» – während sie den Blick zurück offensichtlich scheuen.

Am 27. Juni 2001 haben die Mörder des NSU den Gemüsehändler Süleyman Taşköprü in seinem Laden in Hamburg erschossen. Die Ermittler:innen behaupteten lange, es gäbe keine Hinweise darauf, dass die Tat rassistisch motiviert gewesen sei oder dass Verbindungen zum rechtsextremen Milieu bestünden. Stattdessen wurde in Richtung «organisierter Kriminalität» ermittelt. Der Verdacht liegt nahe und wurde immer wieder geäussert, dass diese Fehlermittlung auf rassistische Ressentiments der Behörden selbst zurückzuführen war.

Viele Fragen sind ungeklärt: etwa, ob und wie viele Mitwissende es in Hamburg damals gab. Angehörige fordern deshalb schon lange einen Untersuchungsausschuss. Unterstützt werden sie darin von der Linkspartei – und eigentlich auch von den Grünen. Bis vor kurzem jedenfalls.

Die lokale SPD (aus deren Reihen ja auch der derzeitige Kanzler Olaf Scholz kommt) war nämlich von Beginn an gegen einen solchen Untersuchungsausschuss. Das sei nicht nötig, eine «wissenschaftliche Aufarbeitung» reiche aus, finden die Sozialdemokrat:innen in bester technokratischer Manier. Und weil die Grünen ja mit der SPD koalieren, haben sie ihre Position derjenigen der SPD angeglichen, um den Koalitionsfrieden nicht zu gefährden – gelebter Antifaschismus vom Feinsten!

Miriam Block machte dabei nicht mit. Sie kündigte schon im Vorfeld der Abstimmung an, die Ablehnung eines Untersuchungsausschuss sei nicht mit ihrem Gewissen vereinbar. Als einzige Grüne stimmte sie schliesslich dafür. Jetzt wird sie von ihrer Partei drastisch abgestraft: Die Grünen-Abgeordneten beschlossen am Montag, ihr alle Fraktionsämter zu entziehen: Block soll der Partei geschadet haben. Man sollte ihr dafür gratulieren.