Katholik:innen besetzen Kirche

Die spinnen, die Katholik:innen! Im kleinen Ort Carnac in der Bretagne rottete sich eine kleine Horde von ihnen zusammen, besetzte die Kirche Saint-Cornély und blockierte das Eingangstor. Sie hatten Schilder dabei, auf einem davon war zu lesen: «Elektrokonzert in einer Kirche, was machen unsere Bischöfe?»

Im Gotteshaus sollte angeblich blasphemische Musik gespielt werden, behaupteten die Mitglieder und Sympathisant:innen der rechtsextremen katholischen Gruppierung Civitas, deren erklärtes Ziel die Abschaffung der Französischen Republik und die «Wiederherstellung des Königreichs unseres Herrn Jesus Christus» ist.

Leidtragende war keine Heavy-Metal-Band, sondern die US-amerikanische Komponistin und Organistin Kali Malone. Nachdem Verhandlungen mit den Katholik:innen gescheitert waren und von diesen Gewalt gedroht habe, beschloss der Bürgermeister, das Konzert abzusagen.

Dass der faschistoide Teil des französischen Katholizismus mit derartigen Aktionen keine hehren Motive verfolgt – geschenkt. Zum Lachen ist hier aber auch, dass die Kunst von Kali Malone, wenn man so will, das Transzendente bestimmt ungleich kräftiger zu beschwören vermag als ein ausgestorbener Provinzgottesdienst von ein paar spröden Katholik:innen, die sich ins Mittelalter zurücksehnen.

Schon im Vorfeld hatten die Civitas-Besetzer:innen dem zuständigen Bischof in Vannes einen Brief geschrieben und ihr Problem geschildert: Die Musik von Kali Malone sei «profan», und das sehe man daran, dass sie einen ihrer Songs «Sacer Profanare» und eines ihrer Alben «The Sacrificial Code» genannt habe. Echt jetzt? Man könnte auf der Liste der Songs einfach mal weiterlesen und würde weitere Zeugnisse der offenbar anhaltenden Relevanz christlicher Motive für ein gefeiertes Werk zeitgenössischer Popmusik stossen: «Spectacle of Ritual», «Rose Wreath Crown (for CW)», «Fifth Worship II», «Glory Canon III». Und könnte die Musik hören, die Kali Malone auf dem Album ausschliesslich auf ihrem Lieblingsinstrument spielt: der Kirchenorgel. Die schwebenden Drones erzeugen ein Gefühl von Ewigkeit, wie es ein katholisches Ritual erst einmal hinbekommen muss.

Es ist vermutlich genau das, was die fundamentalistischen Christ:innen zur Weissglut treibt: Wenn der Machtanspruch der Kirche nicht mehr greift, bleibt von der Religion nicht viel mehr als ein ritueller Zauber. Und den beherrschen andere längst besser.

Mona Molotov ist die meinungsstärkste Möwe des Landes. Sie schreibt regelmässig im «Zoo» auf woz.ch. «The Sacrificial Code» gibt es hier zu hören.