Legal? Illegal? Scheissegal

Neue Skandale an den EU-Aussengrenzen zu vermelden, fühlt sich immer etwas seltsam an. Diese sind ja längst zu einem rechtsfreien Raum geworden. Welche Menschenrechtsverletzungen sind überhaupt noch eine Schlagzeile wert?

In Griechenland sind sogenannte Pushbacks an der Tagesordnung, also die Zurückweisung Flüchtender ohne Prüfung von deren Asylgründen. Das sagen NGOs, die in der Region aktiv sind, seit Jahren. Sogar die EU-Innenkommissarin hatte den Staat 2022 dafür kritisiert. Dieser stritt bis jetzt allerdings jegliches illegale Verhalten ab.

Dass das eiskalte Lügen sein müssen, ist schon lange klar. Jetzt wurde es aber von gewissermassen höchster journalistischer Stelle belegt. Die «New York Times» publizierte Ende letzter Woche Videoaufnahmen eines gewaltsamen Pushbacks durch die griechischen Behörden.

Darauf ist zu erkennen, wie vermummte Männer zwölf Flüchtende auf der Insel Lesbos erst in einen unmarkierten Van stecken und sie dann auf ein Schnellboot verfrachten. Damit werden sie zu einem Boot der griechischen Küstenwache gebracht. Die griechischen Beamten setzen sie schliesslich in türkischen Gewässern auf einem unmotorisierten Schlauchboot aus. Auf dem Boot befinden sich auch mehrere Kinder. Glücklicherweise werden sie später von den türkischen Behörden gerettet.

Das Verbrechen ist verstörend, seine lückenlose Dokumentation durch die «Times» beeindruckend. Und tatsächlich hatte sie sogar einen kleinen, bescheidenen Aufschrei in den sozialen Medien zur Folge. Dabei wird es bleiben. Weiter reichende Konsequenzen sind nicht zu erwarten. Weil diese Verbrechen ja eben eigentlich schon längst bekannt sind.

Und auch gewollt: Auf offiziellem Weg würden Rückschaffungen in der Ägäis über den EU-Türkei-Deal geregelt. Rückübernahmen sind zwar seit Beginn der Coronapandemie ausgesetzt, Frontex hat aber in seinem Finanzplan bereits den Betrieb von Ausschaffungsfähren in der Ägäis budgetiert. Diese werden dereinst wieder die gleiche Aufgabe erfüllen, die Griechenlands Küstenwächter:innen schon heute umsetzen. Nur halt ganz legal. Ist das dann kein Skandal mehr?

Mona Molotov ist die meinungsstärkste Möwe des Landes. Sie schreibt regelmässig im «Zoo» auf woz.ch.