Kritik an der Polizei? Unerwünscht!
Vergangene Woche hat die Goethe-Universität in Frankfurt eine bemerkenswerte Studie aus dem Fachbereich Kriminologie veröffentlicht. Demnach kommt es in Deutschland nur sehr selten zu Verurteilungen rechtswidriger Polizeigewalt: Betroffene zeigen Fälle kaum an – und falls sie es doch tun, werden die Verfahren zu neunzig Prozent von den Staatsanwaltschaften eingestellt. Ein Befund, der viele Fussballfans oder Leute, die schon mal auf einer linken Demo waren oder nicht weiss sind, auch in der Schweiz nicht allzu sehr überraschen dürfte.
Viel Aufsehen erregt dieser Missstand in Deutschland allerdings nicht. Stattdessen konzentrierte sich die kollektive Empörung auf die Kölner Lehrerin Bahar Aslan. Diese hatte am Wochenende einen Tweet verfasst, in dem es hiess: «Ich bekomme mittlerweile Herzrasen, wenn ich oder meine Freund:innen in eine Polizeikontrolle geraten, weil der ganze braune Dreck innerhalb der Sicherheitsbehörden uns Angst macht. Das ist nicht nur meine Realität, sondern die von vielen Menschen in diesem Land.» Als Beleg verwies Aslan, die auch einen Lehrauftrag an der Hochschule für Polizei und Öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen hatte, auf rechtsextreme Netzwerke in den deutschen Sicherheitsbehörden, wie sie immer mal wieder aufgedeckt werden.
Nun aber griff das Nachrichtenportal «Focus Online» den Tweet auf und befeuerte mit einem irreführenden Titel («Polizeihochschul-Dozentin beschimpft Polizisten als ‹braunen Dreck›») einen Shitstorm: Aslan berichtete von «Hassnachrichten im Minutentakt». Andere rechte Medien wie die «Bild-Zeitung» («Hass-Tweet») sprangen auf die Kampagne auf – wie auch der versammelte rechte Twitter-Mob inklusive AfD. Zudem schaltete sich der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei ein und forderte, dass Aslans Fall arbeits- und strafrechtlich geprüft werden müsse.
Et voilà: Die gewerkschaftlich angemahnte arbeitsrechtliche Überprüfung wurde in Rekordzeit abgeschlossen. Am Montag war Aslan ihren Job an der Polizeihochschule los – der ausgelaufene Vertrag mit ihr werde nicht verlängert, teilte das nordrhein-westfälische Innenministerium mit. Die Lehrerin will sich davon aber nicht mundtot machen lassen. Ihren Tweet bereue sie nicht, sagte sie «Zeit online»: «Ich werde zu Missständen nicht schweigen.» Ob das wohl auch für die einschlägigen Feuilletons gilt, die regelmässig Herzrasen bekommen, wenn sie irgendwo die «Cancel Culture» zu wittern meinen?
Fakten, Fakten, Fakten: Der Oberleguan rückt die Dinge zurecht.
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