Donald Trump: Comeback mit Anklage
Der frühere US-Präsident ist angeklagt – und damit auf einen Schlag wieder auf allen Kanälen. Ob ihm das Verfahren am Ende sogar nutzen wird, ist noch offen.
Jetzt sind sie bekannt, die 34 Anklagepunkte gegen Donald Trump. Zu deren Verlesung musste er persönlich von Florida nach New York reisen. In sämtlichen Punkten geht es um «Fälschung von Geschäftsunterlagen», hauptsächlich in Bezug auf die längst bekannte Schweigegeldzahlung an Pornodarstellerin Stormy Daniels während des Wahlkampfs 2016. Nun ist er also der allererste wegen eines Verbrechens angeklagte ehemalige Präsident der US-Geschichte; formal war er am Dienstagnachmittag sogar für eine Weile verhaftet.
Das alte Trump-Spiel
Wenig überraschend, dass die zwei Stunden im Manhattan Criminal Courthouse von den Medien als Spektakel zelebriert wurden. Schon wochenlang war darauf hingeschrieben und -gesendet worden. Denn Trump hatte bereits Mitte März die eigene Verhaftung für den 21. März angekündigt, also neun Tage bevor die zuständige Grand Jury überhaupt für eine Anklage stimmte. Das liess erahnen, wie wichtig ihm der Aufmerksamkeitsschub ist, den er sich vom Strafverfahren verspricht.
Und prompt ging wieder jenes Spiel los, das Trump so meisterhaft beherrscht: Selbst auf den liberalen Fernsehsendern wurde in der bekannten Mischung aus Ekel und Ehrfurcht über ihn berichtet, jede seiner hetzerischen Wortmeldungen weiterverbreitet. Der 76-Jährige, der nach dem Sturm aufs Kapitol vom 6. Januar 2021 manche seiner wichtigsten Kanäle verlor, hat seine Dauerpräsenz zurück. Und gegenüber der eigenen Basis kann er sich wieder als Opfer inszenieren: Er werde «politisch verfolgt», gegen ihn laufe eine «Hexenjagd», so die erwartbaren Slogans.
Zur Anklage gebracht hat den Fall der New Yorker Staatsanwalt Alvin Bragg. Dass dieser als Demokrat in sein Amt gewählt wurde, bietet willkommenes Futter für Trumps Opfererzählung. Aber unabhängig davon läuft noch eine ganze Reihe weiterer Ermittlungsverfahren gegen den früheren Präsidenten: auf Bundesebene etwa wegen seiner Rolle bei der Erstürmung des Kapitols vor zwei Jahren sowie wegen der Entwendung streng geheimer Dokumente aus dem Weissen Haus, im Bundesstaat Georgia wegen versuchter Wahlmanipulation.
Hoch im Kurs
Aus demokratiepolitischer Sicht wäre es wünschenswert gewesen, der schwerwiegende Fall in Georgia hätte die Schwelle zur Anklage als erster genommen. Nun ist es stattdessen die Story mit dem grössten Boulevardfaktor. Handkehrum ist aber auch denkbar, dass Alvin Bragg mit seinem Vorpreschen weiteren Verfahren überhaupt erst zum Durchbruch verhilft – er hat gezeigt, dass nicht sofort Chaos ausbricht, wenn ein Expräsident angeklagt wird.
Es bleibt schwer vorherzusehen, ob das juristische Grossereignis Trump, der seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2024 angekündigt hat, am Ende mehr schadet oder nützt. Klar ist, dass es bis zu einem allfälligen Urteil noch lange dauert – und dass Trump sich zumindest im Moment im politischen Aufwind befindet. Selbst sein einstiger Vizepräsident Mike Pence, der mit ihm eigentlich gebrochen hat, spricht Trump derzeit Unterstützung zu. Und genauso Ron DeSantis, der rechtsextreme Gouverneur Floridas, sein derzeit wichtigster parteiinterner Konkurrent: Ein paar Monate lang gelang es ihm, Trump in den Meinungsumfragen etwas näherzukommen – bis Trump Mitte März ankündigte, bald verhaftet zu werden. Kurz darauf sackten DeSantis’ Werte ab.
In den Jahren seiner Präsidentschaft hat Donald Trump bewiesen, wie gross seine Allmachtsansprüche sind. Nun wird er auch diese Situation nutzen, um einen fundamentalen Angriff auf Justiz und Rechtsstaatlichkeit der USA zu reiten; «unser Justizsystem ist gesetzlos geworden», sagte er nach seiner Rückkehr nach Mar-a-Lago am Dienstagabend. Und so, wie sich die Republikanische Partei präsentiert, werden deren wichtigste Exponent:innen Trumps Lied voller Inbrunst mitsingen.