Durch den Monat mit Noa Schärz (Teil 3): Wird der Frauenfussball von Männern dominiert?
Noa Schärz spielt enorm gerne Fussball – doch die hierarchischen, männlich dominierten Strukturen haben ihr die Freude am Spiel mehr als einmal beinahe vermiest.

WOZ: Noa Schärz, letzte Woche sagten Sie, Sie hätten alljährlich eine Fussballkrise. Wissen Sie, weshalb?
Noa Schärz: Darf ich etwas ausholen?
WOZ: Klar.
Noa Schärz: Ich habe sehr früh angefangen, Fussball zu spielen, mit vier Jahren. Ich habe unglaublich gerne und sehr viel gespielt. Fussballspielen ist super. Als Kind merkte ich irgendwann, dass ich gut darin bin und es sich lohnt, sehr viel zu investieren. Dazu gehörte stets auch, diszipliniert zu sein. Selbst als mir mit siebzehn Kreuzband, Meniskus und Innenband gerissen waren, war ich weiterhin sehr motiviert und diszipliniert. Das hat mir geholfen. Doch die Rückkehr in den Fussball war ernüchternd.
WOZ: Weshalb denn?
Noa Schärz: Ich konnte mit der herablassenden Art des damaligen Trainers der Grasshoppers Zürich nicht umgehen. Ich war plötzlich nach jedem Training frustriert. Ich war unmotiviert und hatte das starke Bedürfnis, aus dieser Welt auszubrechen. Ich entschied mich, mit dem Fussball aufzuhören. Eineinhalb Jahre spielte ich gar nicht und dann ein halbes Jahr in einem Plauschteam. Dann hat es mich aber doch gereizt herauszufinden, was für mich im Fussball möglich ist. Ich wechselte zum FC Zürich – und spielte dort ein halbes Jahr lang kaum. So kam die nächste Krise. Dann ging ich nach St. Gallen. Am Anfang war es super, aber bald stellte ich mir Sinnfragen.
WOZ: Und heute?
Noa Schärz: Mich interessieren inzwischen neben dem Fussball auch ganz viele andere Sachen. Das ist mir sehr wichtig. Gleichzeitig beschäftigt es mich aber als Fussballerin, dass ich nicht mehr die gleiche Selbstdisziplin habe. Ich gehe auch mal spät ins Bett. Trotzdem habe ich den Anspruch, auf dem Platz voll zu performen. Ich habe da sicherlich auch die im Fussball vorherrschende Leistungskultur verinnerlicht. Es wird stets erwartet, dass eine Spielerin körperlich voll parat ist. Sich da abzugrenzen, ist sehr schwierig. Das hat auch Folgen fürs Körper- und das damit verbundene Selbstwertgefühl. Das sind Themen, die mich sehr stark beschäftigen. Am Anfang meiner Karriere war ich ein sportliches «Spränzeli». Und jetzt bin ich eine Frau mit einem Frauenkörper. Ich habe oft das Gefühl, ich sei zu dick oder zu unathletisch. Das ist so ein blödes und unnötiges Gefühl.
WOZ: Sie wirken sehr durchtrainiert.
Noa Schärz: Beim FC Zürich mussten wir zweimal in der Woche auf die Waage stehen und dann das Gewicht aufschreiben. Es ist super, dass YB das nicht macht. Generell wird einem als Spielerin im Fussball aber oft gesagt: «Du musst an deiner Athletik arbeiten.» Was bei mir jeweils ankommt: «Du musst dünner werden, damit du schneller bist.»
WOZ: Der Fussball wird von Männern geprägt. Wie ist die Situation heute im Frauenfussball?
Noa Schärz: Leider hat sich das auch dort bis heute kaum verändert. In Führungspositionen befinden sich sehr oft Männer, obwohl der Frauenanteil im Vergleich zu früher sicher höher ist. Auch die Trainer sind meistens männlich. Ich finde es super, dass es bei YB, St. Gallen und Basel Trainerinnen gibt, die mit ihren Persönlichkeiten für die Entwicklung im Frauenfussball wichtig sind.
WOZ: Was ist anders mit einer Trainerin?
Noa Schärz: Es fühlt sich so an, als sitze sie im selben Boot wie wir: eine Frau, die ebenfalls den Frauenfussball vorantreiben will. Mich motiviert das sehr. Wenn ein Trainer vor mir steht, denke ich viel schneller: Wer bist du, um mir den Fussball zu erklären. Ich weiss, dass da ebenfalls Sexismen in mir sind und ich da toleranter werden muss.
WOZ: Sie sind in basisdemokratischen Kollektiven aktiv. Sehen Sie Möglichkeiten, den Fussball selbstorganisierter zu gestalten?
Noa Schärz: Ich lebe in zwei komplett verschiedenen Welten. Das merke ich, wenn ich mit Personen aus meinem linken Umfeld über den Alltag im Fussball spreche. Man fragt mich: Wer entscheidet, wer spielen darf? Wie wird das im Team besprochen? Ich sage dann: Je nach Verein wird besser oder schlechter kommuniziert. Je nachdem weiss man nicht wirklich, woran man ist. Zudem entscheidet eine Person allein, wer spielt und wer auf der Bank sitzt. Es ist eine völlig andere Realität als in einer Kollektivsitzung. Dort bespricht man alles zusammen und schaut, dass es sich für alle stimmig anfühlt. Aber ich bezweifle, dass es das im Profifussball dereinst auch geben wird.
WOZ: Warum denn nicht?
Noa Schärz: Dieses Hierarchische ist so dominant, dass viele sich gar nicht vorstellen können, dass es anders sein könnte. Eigentlich möchte ich später nicht Trainerin werden, aber es würde mich schon sehr wundernehmen, wie es wäre, wenn ein Team der obersten Liga ganz anders geführt würde.
WOZ: Der Frauenfussball erlebt einen Boom. Die Zahl der Mädchen, die spielen, steigt von Jahr zu Jahr stark an. Sind die Strukturen im Juniorinnenfussball noch immer so hierarchisch?
Noa Schärz: Ja, das fängt auch heute bereits bei den ganz Kleinen an.
In zwei Wochen fängt die EM in der Schweiz an. Schon dieses Wochenende empfiehlt sich zur Einstimmung ein Besuch im Berner Kino Rex: Das «Match Cut Fussball Film Fest» widmet sich der Fussballgeschichte der Frauen.