Kommentar zum Schweizer Nationalfeiertag: Am 1. August die Nation überwinden

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208 Textvorschläge für eine neue Nationalhymne: Das ist die Ernte, die die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft (SGG) im Rahmen ihres Wettbewerbs eingefahren hat. Der von einer Jury auserkorene Text soll im Herbst dem Bundesrat präsentiert werden – als Vorlage für eine Volksabstimmung.

Die Idee der SGG mag gut gemeint sein. Immerhin begründet sie ihr Anliegen damit, dass sie den alten Text mit seinem religiösen Pathos durch einen Text ersetzen wolle, der sich auf die Verfassungsgrundsätze Freiheit, Demokratie, Solidarität und Weltoffenheit abstützt. Aber: National bleibt national.

Die Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA) geht transnationalere Wege. Mit weiteren pazifistischen und gewerkschaftlichen Organisationen lädt sie am Nationalfeiertag zum «antinationalistischen Friedensmarsch im Dreiländereck» von der Basler Grenze nach Huningue über Weil am Rhein und zurück nach Basel. Ort und Datum sind bewusst gewählt: Der diesjährige Nationalfeiertag fällt mit dem 100. Jahrestag der Mobilmachungen in Deutschland, Frankreich und der Schweiz zusammen – dem Fanal zum Ersten Weltkrieg. Grund genug, um, «statt in folkloristischen Taumel zu verfallen», mit FriedensaktivistInnen aus allen drei Ländern auf die Strasse zu gehen und «ein Zeichen gegen Nationalismus und Militarismus zu setzen».

Der 1. August nicht als nationaler Feier-, sondern als transnationaler Protesttag: Schon damals hat sich die Schweiz als neutrales Land nicht direkt am Krieg beteiligt, ihn aber umso mehr mit Munition gefüttert (siehe WOZ Nr. 25/14). Und schon damals haben Industrielle, Banker, Grossbauern und Spekulanten vom Krieg profitiert, derweil sich im selben Land Friedensbewegte versammelten, um für ein Ende des Kriegs zu kämpfen.

Zeit, um den nationalen 1.-August-Reden weltliche Ansprachen entgegenzusetzen. Gelegenheit dazu bietet sich in Bern: Die Reitschule veranstaltet am 31. Juli und am 1. August ein Sommerfest unter dem Motto «No Borders, No Nations» – unter anderem mit einem Vortrag des Professors und Migrationsexperten Arian Schiffer-Nasserie. Titel: «Wer ist ‹Wir›? Argumente gegen die Nation, gegen den normalen Patriotismus und einen alternativen Nationalismus».