Rohstoffhandel: Auf alle Fälle rosige Geschäfte
Der Schweizer Konzern Mercuria macht sowohl mit China wie mit den USA lukrative Geschäfte mit fossiler Energie, will jedoch auch Wälder und Feuchtgebiete schützen. Wie soll das gehen?
«Wir verbinden Märkte und treiben die Energiewende voran», heisst es ganz oben auf der Website von Mercuria. Grosse Worte für ein Unternehmen, das mit dem Handel von Öl und Gas reich geworden ist. Doch fragt man als Zeitung nach aktuellen Firmenzahlen, die solche Behauptungen belegen könnten, heisst es kurz angebunden: «Als private Institution geben wir unsere Finanzen nur an unsere Finanzierungsbanken und wichtigsten Gegenparteien weiter.» Auf alle anderen Fragen der WOZ gibt Mercuria gar keine Antwort.
Derzeit ist das sonst so diskrete Rohstoffunternehmen Mercuria aussergewöhnlich oft in den Medien: Es soll Teil eines Plans des Bundesrats sein, die US-Zölle von 39 Prozent auf Schweizer Importe herunterzuhandeln. So soll Mercuria, wie etwa die Nachrichtenagentur Reuters berichtete, in den USA Milliarden in die Energieerzeugung, CO₂-Speicherung und Ölförderung investieren.
Deals mit China
Mercuria zählt zusammen mit Glencore, Trafigura und Vitol zu den ganz Grossen der Schweizer Rohstoffbranche. Dabei ist das Unternehmen wie seine Konkurrenten längst nicht nur im Handel tätig. Eine kürzlich veröffentlichte Recherche der nichtstaatlichen Organisation Public Eye unter dem Titel «Die Schweizer Minenbarone» zeigt, dass Mercuria eine Kohlenmine in Indonesien besitzt sowie bei zwei weiteren Minen in Südafrika fünfzig Prozent der Anteile hält. Eine davon wurde erst 2024 eröffnet und soll während zwanzig Jahren Kohle fördern. Dabei ist Südafrika immer noch zu achtzig Prozent von Kohlestrom abhängig und würde dringend Investitionen in nachhaltige Energiegewinnung benötigen, um seine Klimaziele zu erreichen. Nennt sich so was «Energiewende vorantreiben»?
Doch das ist längst nicht alles: Macht man sich die Mühe, Medienmeldungen über Mercuria der letzten Jahre zu analysieren und Beteiligungen von Firmen zu recherchieren, die mit dem Unternehmen verbunden sind, entsteht das Bild eines weitverzweigten Konzerns, der im fossilen Geschäft strategisch wichtige Positionen hält. So besitzt Mercuria etwa in den USA diverse Förderanlagen, hält Beteiligungen an chinesischen Raffinerien, verfügt über ein Netz von eigenen Terminals sowie Tanklagern und betreibt eine Flotte von Lastschiffen – darunter auch einen neuen 290 Meter langen und 46 Meter breiten Tanker, der Flüssiggas transportiert.
Über die Gesellschaft Phoenix Global Resources mit Sitz in London, an der Mercuria eine Mehrheit der Anteile hält, ist das Schweizer Unternehmen zudem auch prominent im argentinischen Frackinggeschäft von Vaca Muerta dabei (siehe WOZ Nr. 5/23). Phoenix investierte bis 2021 über 400 Millionen US-Dollar in diese Firma. Gemäss neustem Jahresbericht von Phoenix Global Resources hätten sich seit dem Amtsantritt des umstrittenen ultraliberalen Staatspräsidenten Javier Milei die Geschäftsaussichten aufgehellt.
Gegründet wurde Mercuria 2004 vom Solothurner Daniel Jaeggi und dem Genfer Marco Dunand. Sie hatten zuvor zusammen studiert und arbeiteten beide bei der US-Investmentbank Goldman Sachs. Ihre ersten Deals mit der eigenen Firma machten sie mit russischem Rohöl, das sie in einer polnischen Raffinerie aufbereiten liessen und dann unter anderem nach China verkauften.
Es ist die Art Geschäfte, von der die Rohstoffhändler leben: den Markt analysieren und Möglichkeiten und Chancen für Geschäfte entwickeln. China war zu diesem Zeitpunkt stark von Öl aus dem Nahen Osten abhängig; Mercuria eröffnete dem Land die Möglichkeit, bei seinen Lieferanten zu diversifizieren. Mercuria hat noch heute beste Beziehungen zu China, auch wenn die beiden Gründer inzwischen eine zwölfprozentige Beteiligung des chinesischen Staatsunternehmens Chem China an Mercuria wieder zurückgekauft haben. So liefert Mercuria grosse Mengen an Flüssiggas nach China. Kürzlich wurde dazu ein Fünfjahresvertrag mit der achtzehn Millionen Einwohner:innen zählenden Metropole Guangzhou abgeschlossen.
Zudem betreibt Mercuria mit einem chinesischen Staatskonzern drei Hafenterminals in Europa: einen im belgischen Antwerpen sowie zwei im niederländischen Vlissingen inklusive der dazugehörigen Pipelines und Tanklager. Und im Juni hatte Mercuria von einem Bankenkonsortium – zu dem neben der Schweizer UBS unter anderem auch zwei staatliche chinesische Grossbanken zählen – einen 3,5 Milliarden schweren Kredit erhalten.
Mercuria verfügt aber auch über ein starkes Standbein in den USA, spätestens seit das Unternehmen 2014 die Energiesparte der US-Grossbank JP Morgan gekauft hat. Die Gründer von Mercuria erkannten die Chancen, die der Frackingboom im Land mit sich brachte. Tatsächlich sind die USA in der Folge zum grossen Exporteur von Öl und Gas geworden.
US-Flüssiggas für die Türkei
Mercuria verfügt heute über beträchtliche Terminalkapazitäten am Golf von Mexiko, wo Gasverflüssigungsanlagen bereits gebaut sind oder im Entstehen begriffen sind. Eben hat das Unternehmen einen zwanzigjährigen Liefervertrag mit dem staatlichen türkischen Energieunternehmen Botaş abgeschlossen: Mercuria liefert jährlich Flüssiggas aus den USA im Umfang von vier Milliarden Kubikmetern – ein Sechstel des türkischen Gasverbrauchs.
Dabei ist Flüssiggas aus den USA gemäss verschiedenen Studien ebenso klimaschädlich wie Kohle. Zwar ist der CO₂-Ausstoss beim Verbrennen geringer, doch beim Fracking und beim Transport von Erdgas durch Pipelines entweicht viel klimaschädliches Methan. Zudem sind die Verflüssigung des Gases wie auch der Schiffstransport sehr energieintensiv.
Zur Regierung Trump pflegt Mercuria beste Beziehungen. Mit Ed McMullen, dem US-Botschafter in der Schweiz in Donald Trumps erster Amtszeit, unterhielt Mercuria einen regen Austausch. Er soll eine Zeit lang auch im Beirat der US-Tochter gesessen haben, wie die NZZ schreibt.
Derzeit ist Mercuria unter anderen zusammen mit der staatlichen U. S. International Development Finance Corporation sowie dem Staatsfonds von Katar am Unternehmen Tech Met beteiligt, das nach eigenen Angaben kritische Metalle für westliche Staaten sichern soll. Offenbar geht es darum, dem chinesischen Einfluss in diesem Bereich entgegenzutreten. Auch hilft Mercuria dem Trump-Vertrauten Gentry Beach und seiner Investmentfirma America First Global beim Versuch, im Osten der Demokratischen Republik Kongo eine Coltanmine in Rubaya für 500 Millionen US-Dollar zu übernehmen, wie die «Financial Times» kürzlich schrieb. Der Vorgang ist Teil eines sogenannten Friedensplans des US-Präsidenten, der die Rebellen der M23, die derzeit das Gebiet beherrschen, zurückdrängen will.
Mercuria, das verschwiegene Unternehmen aus Genf, das sich so harmlos gibt, bewegt sich geschickt zwischen den Fronten. «Man sieht bei Mercuria diese Schweizer Eigenheit, sich erfolgreich zwischen den Machtblöcken zu positionieren», sagt Oliver Classen, Mediensprecher von Public Eye. «Dabei verstehen sie es, ihren politischen Einfluss zu vergrössern und zugleich ihre Netzwerke zu monetarisieren», so Classen. Die beiden Firmengründer gehören laut «Bilanz» mit einem Vermögen von 3,5 bis 4 Milliarden Franken inzwischen zu den Superreichen der Schweiz.
Grünes Mäntelchen
Aber Geld ist nicht alles – man will ja auch geachtet sein: So verspricht Mercuria seit diesem Jahr vollmundig, dass fünfzig Prozent aller Investitionen in die «Energietransition» gingen. Darunter versteht es etwa Waldschutzprojekte in Ländern des Globalen Südens unter der Bezeichnung REDD+, die zusätzliches Kohlendioxid speichern sollen. Profite soll das für Mercuria dennoch bringen: So verkauft der Konzern CO₂-Zertifikate, mit denen Unternehmen und Staaten ihren CO₂-Ausstoss durch eine finanzielle Beteiligung am Waldschutz kompensieren können. Im September etwa hat er für Dutzende Millionen US-Dollar CO₂-Zertifikate an Singapur verkauft, die an zwei peruanische REDD+-Projekte gekoppelt sind.
CO₂-Kompensation mit Investitionen in REDD+-Projekte steht allerdings heftig in der Kritik, da etwa der Schutz eines Waldes längerfristig von niemandem garantiert wird und die Gefahr der Abholzung von Wäldern steigt, die nicht zertifiziert sind. Statt CO₂-Ausstoss zu verhindern, führten die sogenannten Waldschutzprojekte vielmehr zu Konflikten um Land und Ressourcen, hätten negative Folgen für indigene Gemeinschaften, die von der Waldwirtschaft abhängig seien, und bedrohten die Nahrungsmittelsicherheit, schreibt dazu etwa die Umweltorganisation Friends of the Earth.
Für Mercuria ist es ein Win-win-Geschäft: Einerseits verkauft das Unternehmen weiterhin klimaschädliche Energieträger an Staaten und Unternehmen und verdient andererseits wieder mit, wenn sie diese durch den Kauf von CO₂-Zertifikaten kompensieren wollen. So versteht es Mercuria auch hier blendend, sich zwischen allen Fronten zu bewegen.