Film: Notruf im Callcenter

Nr. 32 –

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Filmstill aus «Confidente»: zwei Frauen rauchen Zigaretten
«Confidente». Regie: Çağla Zencirci und Guillaume Giovanetti. Türkei/Frankreich/Luxemburg 2025. Jetzt im Kino.

Black Screen. Ein Knistern wie beim Auflegen von Vinyl. Das Ticken einer Uhr. Zeit und Ort der Handlung werden eingeblendet: 1999, ein Vorort von Ankara. Das Telefon läutet, eine sanfte Frauenstimme begrüsst den Anrufenden. Die Männerstimme am anderen Ende der Leitung geht sogleich in medias res: SM-Talk, Porno im Kopf. Der Witz der Eingangsszene liegt in dem, was gezeigt und was nicht gezeigt, nur gehört wird – ein kompositorisches Leitmotiv von «Confidente», dem vierten Spielfilm von Çağla Zencirci und Guillaume Giovanetti.

Sabiha (Saadet Işıl Aksoy) arbeitet in einem Erotikcallcenter, am Telefon nennt sie sich Arzu. Privat steht sie mitten in einem Sorgerechtsstreit um ihren jugendlichen Sohn. Als Istanbul von einem schweren Erdbeben erschüttert wird, meldet sich ein fünfzehnjähriger Junge, der kurz zuvor als Kunde bei ihr angerufen hat: Er liegt unter den Trümmern einer eingestürzten Wohnung und bittet sie verzweifelt um Hilfe. Sabiha riskiert einen unerlaubten Anruf, der sie unversehens in eine politische Intrige verwickelt.

Die Enge, in der sich der verschüttete Junge befindet, spiegelt sich in der Kadrierung der Protagonistin, die förmlich umklammert wird von Schreibtischlampen, die giftgrün ins Bild leuchten, und anderen Gegenständen. Der Verzicht auf Filmmusik schärft die Wahrnehmung für die dicht verwobene Soundscape aus Telefonsex, News und dem omnipräsenten Klingeln des Telefons. Männliche Gewalt und Naturgewalt verschränken sich thematisch zu einem Bedrohungsszenario in phallozentrischem Umfeld.

«Confidente» ist ein rasant inszenierter Kammerspielthriller mit nuancierter Farbgebung und präzisem Sounddesign, ein kluges Spiel mit der Einbildungskraft des Publikums. Raffiniert wird das Ende der Erzählung auf der Metaebene selbst thematisiert: «Los, ich brenne darauf, zu erfahren, wie du die Geschichte beendest!», heisst es an einer Stelle. In der finalen Wendung verdichtet sich das zur programmatischen Aussage: «Die Heldin ist niemandes Eigentum.»